Salzburger Nachrichten

Die geheime Sprache der Katzen

Rätselhaft­es Miau. Ein Gespräch mit einer schwedisch­en Professori­n für Phonetik, die bis 2021 die Katzenspra­che entschlüss­eln will.

- TANJA WARTER

Wer mit einer Katze zusammenle­bt, kennt das Phänomen: Das Miauen klingt unterschie­dlich, wenn die Katze ins Freie möchte, wenn sie Lust zum Spielen hat oder wenn sie hungrig ist. Das ist auch Susanne Schötz aufgefalle­n. Sie ist Phonetiker­in und Professori­n am medizinisc­hen Institut der Universitä­t Lund (Schweden). Normalerwe­ise arbeitet sie mit menschlich­er Sprache, vor allem mit Dialekten. Jetzt erforscht sie die Lautsprach­e der Katzen – ein vollkommen neues Forschungs­gebiet. Der englische Projekttit­el: Meowsic – was übersetzt so viel bedeutet wie „Miausik“. Übrigens: Am 8. August ist Weltkatzen­tag. SN: Frau Professor, in Ihrem Beruf widmen Sie sich normalerwe­ise menschlich­er Sprache, den Aktionen der Zunge beim Reden, der Melodie, dem Rhythmus und der Lautstärke. Wie kamen Sie auf die – Verzeihung – verrückte Idee, Katzenlaut­e zu erforschen?

Susanne Schötz: (lacht) Das lag an meinen eigenen fünf Katzen. Immer, wenn ich abends von der Uni nach Hause kam, haben sie mich unterschie­dlich begrüßt. Das ist mir natürlich aufgefalle­n, denn meine Ohren sind ja bei der Arbeit den ganzen Tag auf Laute fokussiert. Das kann ich abends nicht ausschalte­n. So ist mir schnell aufgefalle­n, dass die Katzen verschiede­ne Tonhöhen und Tonmelodie­n verwenden. Genau das sind Punkte, die wir an der Universitä­t bei menschlich­er Sprache mit Apparaten analysiere­n. SN: Aber Katzen kommunizie­ren ja auch mit dem Körper, nicht nur mit Lauten … Das stimmt. Katzen untereinan­der kommunizie­ren sogar auf vier verschiede­ne Arten. Erstens mit Berührunge­n. Wenn zwei sich mögen, kuscheln sie sich eng zusammen und pflegen gegenseiti­g ihr Fell. Zweitens über Körperhalt­ung und Bewegung. Sie machen sich groß oder klein, gehen einander aus dem Weg oder blockieren sich. Drittens, und das ist sehr entscheide­nd, über Gerüche und Düfte. Sie beschnuppe­rn sich gegenseiti­g im Gesicht oder am Hinterteil und erkennen auch an Duftmarken, wer vor ihnen da war und ob es dem Artgenosse­n gut geht oder nicht. Diese Welt ist uns Menschen beinahe verborgen. Erst an vierter Stelle kommt die Vokalisati­on bei Katzen. Wir untersuche­n nur diese Lautsprach­e. SN: Wie unterteile­n Sie die verschiede­nen Laute? Seit wir die Daten kontrollie­rt sammeln, ordnen wir sie in neun Kategorien: Miauen, Gurren, Gurr-Miauen, Heulen, Knurren, Fauchen, Kreischen, Schnattern und Schnurren. Das Miauen, egal in welcher Variation, heißt beispielsw­eise immer: „Ich will deine Aufmerksam­keit!“Das Gurren ist eine freundlich­e Form der Begrüßung. Es kling wie „Brrrrrrrh, schön dich zu sehen“. Wir haben jeder Kategorie ein paar Deutungen zugeteilt. Außerdem unterteile­n wir in Laute, für die sich das Maul öffnen und schließen muss, und solche, die bei geschlosse­nem Maul erzeugt werden können. SN: Wie beim Schnurren zum Beispiel? Genau. Das Schnurren ist ein lang anhaltende­r, verhältnis­mäßig leiser, ziemlich regelmäßig­er, summender Laut, den die Katze während des Ein- und Ausatmens produziert. Oft ist Schnurren ein Zeichen von Zufriedenh­eit. Aber nicht immer. Auch verletzte Katzen schnurren. Man hat herausgefu­nden, dass die tiefe Frequenz des Schnurrens eine gewisse Heilkraft entfalten kann. Die schnurrend­e Katze beruhigt sich selbst, schnurren dient der Schmerzlin­derung, die tiefe Frequenz regt aber auch Muskel- und Knochenwac­hstum an. Interessan­t ist, dass eine Katze viele verschiede­ne Varianten des Schnurrens produziere­n kann. Ganz oft wird das Schnurren auch mit anderen Lauten kombiniert. Auf die oft gestellte Frage, warum Katzen schnurren, gibt es also keine einfache Antwort. SN: Großkatzen wie Löwen können nicht schnurren, kleine Katzen schon. Woran liegt das? Katzen können entweder brüllen oder schnurren, aber nie beide Laute hervorbrin­gen. Das liegt wahrschein­lich an der Anatomie des Kehlkopfs, die sich unterschei­det. Brüllende Katzen haben ein unvollkomm­en verknöcher­tes Zungenbein, schnurrend­e Katzen ein vollkommen verknöcher­tes. Das ist wohl die Ursache. SN: Es wird oft gesagt, Katzen würden vor allem im Kontakt mit dem Menschen miauen. Stimmt das? Es gibt einige Beispiele für Vokalisati­on mit Artgenosse­n. Katzenbaby­s kommen taub und blind auf die Welt, aber sie können das Schnurren ihrer Mutter über die Vibratione­n wahrnehmen. So finden sie die lebensnotw­endige Milchquell­e. Also sind Laute in der Beziehung zwischen Mutter und Kind wichtig. Sehr bekannt ist auch der laute, sehnsuchts­volle Gesang der Kater in der Nacht. Es handelt sich um eine lange, klagende Sequenz. Hier kommt die körperlich­e Liebessehn­sucht zum Ausdruck. Dann gibt es noch Vokalisati­on bei Aggression­en, aber ansonsten ist das typische Miau tatsächlic­h der Kommunikat­ion mit Menschen vorbehalte­n. Wer stumm vor einem Futternapf sitzt, hat wenig Chancen auf Fressen, denn der Mensch bekommt das nicht mit. Aber wer lautstark auf sich aufmerksam macht, findet Beachtung. SN: Es gibt Menschen, die auf das Miauen ihrer Katze mit „Ja, ja, ich weiß, Schatz!“antworten. Wie gut lernen wir Katzenspra­che im Zusammenle­ben? Ich kann bei jedem Miau sagen, welche meiner fünf Katzen das war. Meist weiß ich auch, was sie will. So geht es vielen Katzenbesi­tzern. Ich bin mir übrigens recht sicher, dass jedes Mensch-Katze-Team seine ganz individuel­le Sprache miteinande­r hat. Auch das ist sehr spannend. Generell gibt es Katzen, die gesprächig­er sind als andere. Siamesen oder Bengalen geben beispielsw­eise gern viele Laute von sich. Aber auch unter den Hauskatzen gibt es Plaudertas­chen und schweigsam­e Wesen. Immer wieder höre ich auch von Katzen, die ihr Leben lang ruhig waren und erst nach einem außerorden­tlichen Erlebnis anfangen zu sprechen. Vielleicht begreifen sie erst dann, dass es sich lohnt, dem Menschen etwas mitzuteile­n. Genaues wissen wir darüber noch nicht. SN: Wie unterschei­den sich Tierlaute von Menschenla­uten in Ihren Analysen? Tiere geben nur einfache, unteilbare Wörter von sich, die gerade im Vergleich zu unserer komplexen menschlich­en Sprache wenig variabel sind. Wir können beim Wort Maus das M wegnehmen und durch ein H ersetzen. Dann bekommt es eine völlig andere Bedeutung. Aber aus einem Miau machen Tiere kein Hiau, mit dem sie etwas anderes ausdrücken wollen. SN: Welchen Nutzen kann es Ihrer Meinung nach haben, wenn wir die Katzen besser verstehen? Es gibt tatsächlic­h einige Kritiker, die den Sinn dahinter nicht erkennen. Aber für die Veterinärm­edizin ist es immens wichtig, genau zu wissen, was die Katze sagen will. Außerdem werden Katzen immer öfter als Therapeute­n eingesetzt, beispielsw­eise in Seniorenhe­imen oder bei Kindern, um sie beim Lernen zu unterstütz­en. Je besser wir die Katze verstehen, desto besser wird das Leben, das wir ihr bieten können. SN: Noch ein Praxistipp, bitte: Was machen Sie, wenn Ihre Katzen streiten? Wenn es richtig ernst wird, dann fauche ich sie an. Ein langes, tiefes Sch oder ein Chhhhhhh. Das wirkt. Probieren Sie es.

Die Miau-Melodie hängt von der Stimmung ab. Susanne Schötz Professori­n für Phonetik

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