Lottospiel als „Trottelsteuer“?
Wie der Staat vom Glücksspiel profitierte. „Die Kunst, ohne Mühe reich zu werden, [wäre] der Wunsch aller Menschen“, hielt der deutsche Jurist und Staatsmann Justus Möser (1720– 1794) seine Gedanken über die vielen Lotterien fest, die regen Zuspruch fanden. Verbote ergaben wenig Sinn, denn sie trieben die Spieler nur ausländischen Lotterien zu. „Was thut ein Landesvater, wenn seine Kinder zur Verschwendung geneigt sind? Er leitet ihre Neigungen auf einheimische Produkte, verwandelt die Verschwender in Patrioten, und legt selbst Lotterien an.“Solcherart käme man „an den Geldbeutel, welcher sich sonst noch bis hiezu der Steueranlage einigermaßen entzogen hat“, und könnte das eingenommene Geld zum Wohl der Allgemeinheit wie zum Straßenbau nutzen. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden beispielsweise die Erlöse holländischer Lotterien für den Deichbau verwendet. Papst Clemens XII. führte 1731 das Zahlenlotto wieder ein und finanzierte damit Prunkbauten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden auch in den USA viele öffentliche Bauprojekte durch Lotterien finanziert. Böse Zungen sprachen von einer „Trottelsteuer“. Allerdings bemerkte man die dunklen Seiten der Spielleidenschaft. Den Übergang vom harmlosen Zeitvertreib zur Spielsucht beschrieb der flandrische Arzt und Philosoph Pâquier Joostens bereits 1561 in seiner Schrift „Über das Würfelspiel oder die Heilung der Leidenschaft, um Geld zu spielen“. Im 19. Jahrhundert wurde das Lottospiel in vielen Ländern verboten. Kritisiert wurden Betrügereien, die Verarmung der Spieler sowie die Beschaffungskriminalität. Alexandra Bleyer