DIE ILLUSTRIERTE KOLUMNE
„Jedes Schriftl is a Giftl“lautet ein belastbarer Merkspruch in politischen Kreisen. Dem Aphorismus liegt die bittere erfahrene Erkenntnis zugrunde, dass das geschriebene Wort das gesprochene an Schwere übertrifft. Das hat mit gelebter Aktenpraxis zu tun, mit üblicher Vertragstreue und mit der scheinbaren Gültigkeit alles Gedruckten. Gesagtes vergeht, Geschriebenes lässt sich immer wieder abrufen. Parallel zu unserem Sprichwort hat sich daher eine Verlässlichkeitskultur etabliert, die unter dem Thema „Handschlagqualität“zusammengefasst wird. Wer mit kräftigem und optimalerweise männlichem Händedruck ein Vertragspaket bekräftigt (einen Deal, wie es heute heißt), kann sich der Trollerei durch Unbeteiligte und Schnüffelattacken aller Art sicher sein. Was nicht geschrieben steht, kann auch nicht gelesen werden. Der Pakt der geschüttelten Hand gilt hierzulande als wertsicherer als jedes Papierl.
Die moderne Technologie hat den Geheimnishorizont in komplexer Weise aufgelöst. Was einmal digital wurde, bleibt digital. Und schlimmer noch.
Geschriebenes, Gesagtes, Getanes bleibt nicht auf den Ort und den Zusammenhang beschränkt, sondern kann in jeder nur befürchteten Weise an Unbefugte, sprich die Öffentlichkeit, gelangen. Das ist in privaten Dingen so schlimm wie in politischen gefürchtet. Aus der Angst vor Kontrollverlust speist sich die Praxis der Datenvernichtung. Was der Aschenbecher von früher war, in dem eine Notiz oder ein belastender Brief verbrannt wurde, ist heute der Schredder. Zeit, das Sprichwort abzuwandeln: Jedes File ist ein Beil.