Der Esel-Palio von Roccastrada – das toskanische Volksfest ist die humorvolle Antwort auf das traditionelle Pferderennen im nahen Siena. Gas geben mit Langohren
Manche Klischees stimmen einfach. Etwa, dass Italiener Feste lieben. Und es gibt bei unseren südlichen Nachbarn ja auch wirklich jede Menge davon. In Roccastrada etwa, einem kleinen, hübschen, mittelalterlichen Bergdörfchen mitten in der toskanischen Maremma, sozusagen auf halbem Weg zwischen Grosseto und Siena, wird den Sommer über allerlei gefeiert. Das Salsiccie-Fest mit den gschmackigen Bratwürsteln, die Festa Patate für die Erdäpfel, ein anderes Fest zu Ehren der Polenta, die Sagra del Tartufo für Liebhaber der feinen Knolle und für Freunde der Meeresfrüchte die Sagra del Pesce. Auch der Zuppa di Pane, der Brotsuppe, ist ein Fest gegönnt, ebenso den Gnocchi im Nachbardorf Civitella Marittima. Es wird schlichtweg alles gefeiert, was möglich ist.
Doch jedes Jahr am zweiten Sonntag im September wird es rund um die Viale Roma besonders hektisch, denn dann steigt der Esel-Palio zu Roccastrada. Schon am frühen Nachmittag marschiert die Arcidosso Street Band straßauf und straßab und spielt Dixieland vom Feinsten, bringt Stimmung unter die Besucher, während die Contraden, also die Ortsteile, auf geschmückten Traktoren und Anhängern, beladen mit ihren Fans, vor allem Lärm und Spektakel produzieren und ihre Runden durch die Stadt drehen.
Es riecht nach Karneval – und das mitten im September. Auch ganz wörtlich genommen: Ein Pizzaofen auf Rädern verteilt die kleinen Köstlichkeiten und eine fast echte Kuh, aus Papiermachee, spendet aus ihrem Euter – was könnt’ es anderes sein – den Sangiovese aus der Umgebung. Wer daher einen Becher ergattern kann, begibt sich zur „Melkstation“.
Bürgermeister Francesco Limatola, erst vor zwei Jahren ins Amt gewählt, ist mehrmals mitgeritten, allerdings erfolglos, wie er zugibt. „Wahrscheinlich hab ich nie den schnellsten Esel erwischt“, schmunzelt er, aber dabei sein sei schließlich alles. „Was die in Siena können, können wir auch, sagten schon unsere Altvordern.“
Mittlerweile steigt der Palio hier seit mehr als 50 Jahren und was einst als Persiflage auf den wilden Ritt um den Campo in Siena gedacht war, ist heute Volksfest und Erntedankfest. „Und ja, geritten wird auch. Auf Eseln halt.“
Bereits Wochen vor dem Palio Umoristico dei Ciuchi, dem lustigen Esel-Palio, sind fast alle Häuser fahnengeschmückt und die Bewohner in fiebriger Erwartung auf das Fest der Feste. Es ist ein Wettstreit der grauen, manchmal bockigen Gesellen mit den langen Ohren durch die Viale Roma. Der Parcours ist nicht länger als ungefähr 300 Meter, genau abgemessen hat das noch niemand. Und es kommt schon mal vor, dass das liebe Vieh halt stehen bleibt und das Rennen sozusagen für beendet betrachtet. In Abwandlung eines Wienerliedes: „Wenn der Esel ned will, nutzt des goarnix.“
Acht Contraden gehen mit jeweils zwei Reitern und 16 Eseln an den Start. Schwindeln geht nicht, denn es wird gelost, wer auf welchem Esel reitet. Geritten wird ohne Sattel und in mehreren Durchgängen. Pro Durchgang sind vier Reiter am Start. Die ersten zwei qualifizieren sich jeweils für die nächste Runde, bis im Finale im Duell der besten zwei der Sieger feststeht. Andrea Narducci, der Vorjahressieger, ist auch heuer wieder dabei und mit seinen 50 Jahren gehört er zum Favoritenkreis. Drei Mal hat er den Palio schon gewonnen, aber er habe daheim noch Platz für den einen oder anderen Pokal, so Narducci. „Ich habe da so meine Methode“, sagt der Seriensieger, will aber kein Eselflüsterer sein.
Sobald der Sieger samt Langohr durchs Ziel gegangen ist, wird die Viale Roma zu einem Tollhaus. Andrea Narducci lacht noch im Nachhinein. „Die haben mich die Viale Roma rauf- und runtergetragen, ich dachte, die hören gar nicht mehr auf.“Es ist mittlerweile spät geworden, sogar der Nachwuchs ist noch längst nicht müde und feiert mit. Es wird getanzt, gesungen, getrunken und vor der Bar Moderno, übrigens mit dem besten Kaffee der Stadt, werden im Akkord Caipirinhas und andere Cocktails ausgeschenkt. Discomusik beschallt die ganze Viale. Ans Schlafengehen denkt heute niemand, das Motto lautet: Anhänger aller Contraden, vereinigt euch und begießt Sieg oder Niederlage bis in die Nacht hinein! Auch die, die diesmal nichts gewonnen haben. Schließlich steigt nächstes Jahr ja wieder der Palio Umoristico dei Ciucchi.