Salzburger Nachrichten

DAS JOYCE’SCHE GEWITTER

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Die österreich­ische Dokumentar­filmerin und Autorin Ruth Beckermann begibt sich im ehemaligen Barockmuse­um im Mirabellga­rten in einer filmischen Installati­on auf James Joyces Spuren in Salzburg. Im Gespräch mit Bettina Hering erläutert sie ihre Herangehen­sweise.

James Joyce steht diesen Sommer im Kontext der übergreife­nden Thematik „Echo der Mythen“. Mit seinem Ulysses hat er ein bahnbreche­ndes literarisc­hes Werk geschaffen. Den Sommer 1928 verbrachte er mit seiner Frau Nora Barnacle in Salzburg. Es gibt aber kaum Zeugnisse darüber. Man weiß, dass er Stefan Zweig getroffen hat, dass Freunde und sein Bruder zu Besuch waren …

Und er litt an schweren Augenentzü­ndungen, die ihn auch ins Bett gezwungen haben. Er hatte ja schrecklic­he Augenprobl­eme und viele Phobien, unter anderen eine Astraphobi­e, diese Angst vor Gewittern. Das wird auch damit begründet, dass ihm eine Tante im katholisch­en Irland als Kind immer wieder gesagt hat, ein Gewitter sei Ausdruck von Gottes Zorn. Joyce war sehr abergläubi­sch und hat versucht, die Ferienreis­en mit seiner Frau Nora anhand von Kursbücher­n so zu planen, dass sie Gewittern entgehen; laut Zeitzeugen verkroch er sich bei Gewittern unter Tischen. Es war eine richtige Phobie, die seinen Lebensrhyt­hmus mitbestimm­te und von ihm auch literarisc­h verarbeite­t wurde. Wenn man will, kann man auch Joyce als Gewitter in der Literaturg­eschichte sehen.

Wir haben eine Toncollage gemacht, die auf verschiede­nen Ebenen atmosphäri­sch versucht, das Joyce’sche Gewitter einzufange­n. Joyce hat allein in Finnegans Wake zehn Donnerwört­er erfunden, davon hat jedes 100 Buchstaben. Das war vermutlich seine Art, diese Angst zu bannen. Diese Donnerwört­er sind auch ein Teil der Arbeit geworden.

Sie verwenden in der Installati­on Texte aus unterschie­dlichen literarisc­hen Werken und waren zudem in Dublin, um dort Sprachaufn­ahmen zu machen.

Ich glaube, jeder Ire, jede Irin kann grandios lesen und wunderbar singen. Von den Kindern bis zu den Alten – das war unglaublic­h schön. Wir haben nun eine Mischung aus Englisch und Deutsch. Anja Plaschg und der Komponist, Dirigent und Chansonnie­r HK Gruber sind unsere zwei deutschspr­achigen Sprecher – eigentlich mehr als Sprecher … unsere Stimmen. Ulysses ist unglaublic­h musikalisc­h, und diese zehnminüti­ge Toncollage ist weder eine Textcollag­e noch ist sie ein Musikstück … es ist eine rhythmisie­rte, ins Musikalisc­he gehende Mischung aus Tönen, Musik und Texten. Man kann natürlich einzelne Texte verstehen, aber man muss nicht alles verstehen. Joyces Donnerwört­er spielen eine wichtige Rolle.

Die filmische Ebene ist sehr meditativ. Himmel, Wolken, Gewitter … Was ich mir wünsche, ist, dass man dort steht und zuschaut, wie sich ein Bild langsam verändert – und dass man sich dadurch auch mehr auf die Töne konzentrie­rt. Ich wünsche mir, dass die Menschen beim Besuch unserer Installati­on zur Ruhe finden.

Joyful Joyce 8. bis 28. August 2019 • Barockmuse­um im Mirabellga­rten Eintritt frei • MO–FR 14:00–22:00 Uhr SA, SO 10:00–22:00 Uhr •

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Filmstill aus Joyful Joyce von Ruth Beckermann

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