Das Ungeheuer von Loch Fuschl
Sensation oder Sommerloch? In einem Fuschler Lokal steht der Kadaver eines Sauriers auf der Speisekarte.
Einem treuen Leser fiel kürzlich ein Tagesgericht auf, das an den Gestaden des Fuschlsees angeboten wurde: Kalbsgambo mit Garnelen im Kräuterreis. Der Preis tut nichts zur Sache. Einzig die Garnelen und der Gambo sind in diesem Fall von Interesse. Garnelen erinnern an Gambas. So heißen sie nämlich in Spanien. Aber was um Gottes willen ist ein Gambo? Auf Wikipedia ist wenig Appetitanregendes darüber zu lesen: Gambo ist der Name eines nicht identifizierten Kadavers eines großen Meerestieres, das 1983 auf den Strand des BungalowBeach-Hotels in Kotu im westafrikanischen Staat Gambia angespült wurde. Zoologen vermuteten, es habe sich bei dem fast fünf Meter langen Tier um einen stark verstümmelten Shepherd-Wal gehandelt. Etwas spektakulärer waren Vermutungen, es habe sich um ein überlebendes prähistorisches Reptil gehandelt.
Der Kryptozoologe Karl Shuker brachte einen Plesiosaurier oder ein Thalattosuchia-Krokodil ins Spiel. Womöglich, so Shuker, habe es sich sogar um „den letzten der Mosasaurier“gehandelt. Eine genaue Bestimmung war ihm nicht möglich, da der Gambo kurz nach seinem Fund begraben wurde. Als er für die Wissenschaft interessant wurde, hat man ihn nicht mehr gefunden. Dass der Gambo nun offenbar am Fuschlsee wieder aufgetaucht ist, macht in erster Linie den dort ansässigen Fremdenverkehrsverein verdächtig. Könnte es sich um eine konzertierte Aktion handeln? Will man dem Ungeheuer von Loch Ness Konkurrenz machen, bei dem es sich nach Auswertung von Beschreibungen und Fotos ja auch um einen Plesiosaurier handeln soll? Das Gericht klingt auf alle Fälle interessant. Wer Kalb mit Saurier-Kadaver serviert, der lässt jeden jungen wilden Haubenkoch uralt aussehen. Aber Achtung: Bei dieser Kombination besteht Suchtgefahr. Denn der Mensch ist seit Jahrtausenden dem Duft von Kadaverin verfallen. Das ist eine Art Leichengift, das bei der Zersetzung von tierischem Eiweiß entsteht. Nach einer genauen Recherche hat sich der sensationelle GamboFund vom Fuschlsee dann allerdings in den würzigen Duft eines Cajun-Gerichts aufgelöst. Der Gambo war ein Gumbo, also ein in Louisiana beheimatetes Eintopfgericht aus Fleisch und Meeresfrüchten, das stundenlang auf kleiner Flamme in einer mit Mehlschwitze eingedickten Sauce geschmort wird. So etwas kommt eben raus, wenn auf Teufel komm raus international gekocht wird. Bei einem lokalen Gericht wie Falscher Hase wäre das nie passiert. PETER.GNAIGER@SN.AT