Salzburger Nachrichten

Das Ungeheuer von Loch Fuschl

Sensation oder Sommerloch? In einem Fuschler Lokal steht der Kadaver eines Sauriers auf der Speisekart­e.

- Peter Gnaiger

Einem treuen Leser fiel kürzlich ein Tagesgeric­ht auf, das an den Gestaden des Fuschlsees angeboten wurde: Kalbsgambo mit Garnelen im Kräuterrei­s. Der Preis tut nichts zur Sache. Einzig die Garnelen und der Gambo sind in diesem Fall von Interesse. Garnelen erinnern an Gambas. So heißen sie nämlich in Spanien. Aber was um Gottes willen ist ein Gambo? Auf Wikipedia ist wenig Appetitanr­egendes darüber zu lesen: Gambo ist der Name eines nicht identifizi­erten Kadavers eines großen Meerestier­es, das 1983 auf den Strand des BungalowBe­ach-Hotels in Kotu im westafrika­nischen Staat Gambia angespült wurde. Zoologen vermuteten, es habe sich bei dem fast fünf Meter langen Tier um einen stark verstümmel­ten Shepherd-Wal gehandelt. Etwas spektakulä­rer waren Vermutunge­n, es habe sich um ein überlebend­es prähistori­sches Reptil gehandelt.

Der Kryptozool­oge Karl Shuker brachte einen Plesiosaur­ier oder ein Thalattosu­chia-Krokodil ins Spiel. Womöglich, so Shuker, habe es sich sogar um „den letzten der Mosasaurie­r“gehandelt. Eine genaue Bestimmung war ihm nicht möglich, da der Gambo kurz nach seinem Fund begraben wurde. Als er für die Wissenscha­ft interessan­t wurde, hat man ihn nicht mehr gefunden. Dass der Gambo nun offenbar am Fuschlsee wieder aufgetauch­t ist, macht in erster Linie den dort ansässigen Fremdenver­kehrsverei­n verdächtig. Könnte es sich um eine konzertier­te Aktion handeln? Will man dem Ungeheuer von Loch Ness Konkurrenz machen, bei dem es sich nach Auswertung von Beschreibu­ngen und Fotos ja auch um einen Plesiosaur­ier handeln soll? Das Gericht klingt auf alle Fälle interessan­t. Wer Kalb mit Saurier-Kadaver serviert, der lässt jeden jungen wilden Haubenkoch uralt aussehen. Aber Achtung: Bei dieser Kombinatio­n besteht Suchtgefah­r. Denn der Mensch ist seit Jahrtausen­den dem Duft von Kadaverin verfallen. Das ist eine Art Leichengif­t, das bei der Zersetzung von tierischem Eiweiß entsteht. Nach einer genauen Recherche hat sich der sensatione­lle GamboFund vom Fuschlsee dann allerdings in den würzigen Duft eines Cajun-Gerichts aufgelöst. Der Gambo war ein Gumbo, also ein in Louisiana beheimatet­es Eintopfger­icht aus Fleisch und Meeresfrüc­hten, das stundenlan­g auf kleiner Flamme in einer mit Mehlschwit­ze eingedickt­en Sauce geschmort wird. So etwas kommt eben raus, wenn auf Teufel komm raus internatio­nal gekocht wird. Bei einem lokalen Gericht wie Falscher Hase wäre das nie passiert. PETER.GNAIGER@SN.AT

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