Debatte um Grundrecht auf Bargeld: Experten melden Bedenken an
Immer wieder flackert sie auf, die Diskussion um die angebliche Rettung des Bargelds. Aber ist es überhaupt in Gefahr? Und wie sinnvoll ist eine Verfassungsbestimmung dazu? Was wirklich hinter der Debatte steckt.
Nach einem FPÖ-Antrag im Juli fordert auch die ÖVP ein Grundrecht auf Bargeld, das in der Verfassung verankert ist. Die SPÖ kann sich eine Zustimmung vorstellen – falls eine EU-rechtskonforme Regelung möglich ist. Verfassungsexperten sehen das Vorhaben kritisch. Heinz Mayer spricht gar von einem Missbrauch der Verfassung. Auch Ökonomen melden Bedenken an: Einzelstaatliche Sonderregelungen könnten in einer Währungsunion Sprengstoff sein.
WIEN, SALZBURG. Das gab es schon einmal: Zu Beginn des Jahres 2016 tauchte die politische Forderung nach einem „Recht auf Bargeld“auf, das in der Bundesverfassung verankert werden sollte. Unter anderem machten sich der damalige Wirtschaftsstaatssekretär Harald Mahrer und Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer dafür stark.
Aus der Forderung wurde damals nichts, auch weil sich die SPÖ querlegte. Aber es entspann sich eine längere lebhafte Debatte. Auch jetzt erhitzt die Diskussion im Vorfeld der Nationalratswahl Ende September wieder die Gemüter.
Statistischer Hintergrund: In kaum einem zweiten Land ist Bargeld so beliebt wie in Österreich. Rund 82 Prozent aller Transaktionen werden in bar abgewickelt, 65 Prozent des Zahlungsvolumens laufen über diesen Kanal. Was aber sagen Ökonomen und Juristen dazu?
Verfassungsrechtler Heinz Mayer macht kein Hehl aus seiner Ablehnung. „Es gibt keinen Blödsinn, den sie nicht in die Verfassung schreiben wollen. Alles, was gut und teuer ist, kommt hinein, ohne dass man sich überlegt, was das für einen Sinn hat.“Er sieht einen „Missbrauch der Verfassung“, der in der Politik um sich greife.
Das Grundrecht auf Bargeld würde weitere Fragen aufwerfen und klare Regeln brauchen, für die die Verfassung nicht der richtige Ort sei. Etwa die Frage, inwieweit Unternehmen verpflichtet sind, Geld anzunehmen. „Zudem machen wir uns international lächerlich. Die europäische Entwicklung des Zahlungsverkehrs wird sich nicht an Österreich orientieren.“
Verfassungsexperte BerndChristian Funk bezeichnet den Vorstoß als Placebo und wahlkampfbedingte populistische Ankündigung. „Damit kann man sicher ein paar Stimmen gewinnen. Substanz hat es wenig.“Das Thema sei zu unbestimmt, um als Grundlage für die juristische Lösung konkreter Probleme herzuhalten. „Eine allgemeine Regelung, die sagt, dass Bargeld nicht abgeschafft werden darf, würde das Problem nicht lösen, sondern neue Probleme bringen“, verweist er auch auf den Konflikt mit EU-Gesetzen.
Die Stellung des Bargelds wirft tatsächlich eine Reihe von Fragen auf, bestätigt Ökonom Stefan Pichler von der Wirtschaftsuniversität Wien. Für ihn ist es ein „zweischneidiges Thema“. Grundsätzlich wäre es eine europarechtliche Frage. In der Währungsunion wird nämlich das Geldmonopol von der EZB als Leitinstitution des ESZB (Europäisches System der Zentralbanken) ausgeübt, der sämtliche Euro-Notenbanken angehören. Da könnten einzelstaatliche Sonderregelungen Sprengstoff sein, meint Pichler. „Wenn jeder Staat irgendetwas in seine Verfassung schreibt, ist die Währungsunion obsolet.“So ein Schritt sei „grundsätzlich desintegrativ, ein Spiel mit dem Feuer“.
Pichler sieht aktuell keine Anzeichen, dass jemand in Europa über die Abschaffung von Bargeld nachdenke. Aber klar ist, dass in einer Welt ohne Bargeld Zentralbanken die Geldpolitik wesentlich leichter steuern könnten. Es gäbe mehr Durchgriffsmöglichkeiten, Banken könnten die Zinsen per Knopfdruck etwa auf minus 5 Prozent absenken. Solche Zugriffsrechte und „gläserne Konten“wären ein massives ethisch-politisches Problem – und daher wohl kaum umsetzbar.
Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) verweist die aktuelle Diskussion in den Bereich der Politik. Über Verfassungsbestimmungen habe das Parlament zu entscheiden. Die OeNB jedenfalls sei „schon immer für das Bargeld eingetreten“, betont Gouverneur Ewald Nowotny. Für ihn „besteht kein Anlass, die Stellung des Bargelds zu verändern“. Das Vertrauen der Bevölkerung in Bargeld und den Euro sei unbestritten hoch.
Manfred Matzinger, Vorstand der Münze Österreich, verweist auch auf die pädagogische Bedeutung von Taschengeld in bar. Und „nur Bargeld ist 100 Prozent sicher gegen technische Ausfälle und allfällige Hacker-Attacken“. Selbst die skandinavischen Länder, die tendenziell Bargeld abschaffen wollten, würden zurückrudern und setzten statt auf „cashless“(bargeldlos) nunmehr auf „less cash“(weniger bar).
„Das ist ein Spiel mit dem Feuer.“Stefan Pichler, WU Wien