Die Ausbeutung treibt immer neue Blüten
Blumen in Patronenhülsen, Bilder zerklüfteter Landschaften: Ein Künstler zeigt, welche tiefen Spuren Kolonialisierung in die Welt gefräst hat.
Sie wirken so schlicht und dekorativ: Schlanke Blumentöpfe aus Kupfer sind auf dem Boden des Museumspavillons im Mirabellgarten verteilt. Und in jedem von ihnen fühlt sich eine Pflanze wohl. Wer sich bückt, sieht aber auch die eingeprägten Jahreszahlen auf dem Metall, die auf Ersten Weltkrieg und Zweiten Weltkrieg verweisen. Die Gefäße sind Patronenhülsen aus Kupfer, die in belgischen Wohnzimmern der 50er- und 60erJahre mitunter als seltsame Kriegssouvenirs Verwendung fanden. Der Künstler Sammy Baloji machte sie auf Ebay ausfindig. Er folgt damit der Spur des Kupfers und anderer Bodenschätze, die im Kongo seit der belgischen Kolonialherrschaft abgebaut werden. Die Folgen der andauernden Ausbeutung zeigt der kongolesische Künstler auch in Fotografien, auf denen etwa zerklüftete Landschaften verlassener Minen zu sehen sind. Baloji untersuche, „wie sich Kolonialgeschichte in die Landschaft eingeschrieben hat“, sagt Simone Rudolph von der Sommerakademie für Bildende Kunst. Als Kuratorin hat sie mit Lotte Arndt die Ausstellung „Extracting Landscapes“im Pavillon der Stadtgalerie gestaltet. Wie die Maschinen der Bergbaukonsortien das Land zerfräst haben, zeigt eine dreikanalige Filminstallation, in der Baloji alte, flackernde Schwarz-WeißFilme sowie aktuelle Bilder aus den Minen mit Interviews von Anwohnern kontrastiert. Die Ausstellung ist parallel zu einem Kurs entstanden, den Baloji heuer erstmals als Dozent auf der Festung leitete. Für die Sommerakademie sei der documentaund Biennale-Teilnehmer auch deshalb besonders spannend, weil er in globalen Zusammenhängen arbeite, erläutert Rudolph. Die Salzburger Institution widmet der globalen Kunst ja auch heuer wieder Schwerpunkte.
Globalisierung in der Kunst kann freilich auch bedeuten, dass Gasteiner Perchtenmasken plötzlich weltweit in Galerien für zeitgenössische Kunst auftauchen: Der US-Künstler Cameron Jamie hat über das Perchtentreiben in Salzburg 2004 den Film „Kranky Klaus“produziert. Es ist eine der bekanntesten Arbeiten des Künstlers, der sich oft mit Ritualen und Subkulturen auseinandergesetzt hat. Bei einem Künstlergespräch (Dienstag) gab der Sommerakademie-Dozent nun Einblicke in jüngere, abstraktere Arbeiten, in denen er oft Grenzen zwischen Außenund Innenwelt erforscht.
An unsichtbare Grenzen der Touristenstadt Salzburg führen indes die kuratierten Spaziergänge der Sommerakademie: Heute, Donnerstag, geht die Reise zu „Orten der Roma“in Salzburg (18 Uhr).