Ältere Menschen sollen nicht täglich Aspirin nehmen
Das Mittel hat eine gerinnungshemmende Wirkung, die das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen senken kann. Doch es gibt eine andere, schwerwiegende Nebenwirkung.
SALZBURG. Die Bedeutung von Aspirin zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird zu einem guten Teil überschätzt. Die ASPREE-Studie (ASPirin in Reducing Events in the Elderly) zeigte jetzt erstmals: Eine tägliche Aspirin-Dosis verringert bei gesunden älteren Menschen nicht das Herz-Kreislauf-Risiko, sondern erhöht sogar das Risiko für schwere Blutungen.
Das berühmte Schmerzmittel Aspirin besteht aus Acetylsalicylsäure (ASS) und wird schon seit 120 Jahren als Fiebersenker und Entzündungshemmer erfolgreich eingesetzt. Lange Zeit war die genaue Wirkungsweise von Aspirin ungeklärt. Erst 1971 zeigte der britische Pharmakologe John Vane in seiner nobelpreisgekrönten Arbeit, wie ASS schmerzstillend, fiebersenkend und entzündungshemmend wirkt. ASS hat aber auch eine gerinnungshemmende Wirkung, die unter anderem das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen senken kann. Aus diesem Grund wird es vielen älteren Menschen von ihren Ärzten auch zur täglichen Einnahme verschrieben. Obwohl Aspirin in keiner Hausapotheke fehlen sollte, ist aber wegen der möglichen Nebenwirkungen Vorsicht angebracht. Der Grund liegt darin, dass eine dauerhafte Einnahme zu Blutungsneigung, also zu Gehirnblutungen, und darüber hinaus zu Übelkeit, Sodbrennen und Magengeschwüren führen kann. Dieses erhöhte Blutungsrisiko gilt auch bei Menschen mit Gefäßerkrankungen, die bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten. Hier ist durch Studien gut belegt, dass die schützende Wirkung von Aspirin vor einem erneuten Herzinfarkt oder Schlaganfall größer ist als das Risiko, eine Blutung zu erleiden. Die ASPREE-Studie wurde im renommierten „New England Journal of Medicine“publiziert und befasste sich mit den Auswirkungen von Aspirin auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Blutungen bei gesunden, über siebzigjährigen Patienten. Die Studie fand von 2010 bis 2014 in den USA und Australien statt. Man rekrutierte gesunde Patienten, die weder eine Behinderung hatten noch unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Demenz litten. Davon bekam die Hälfte täglich niedrig dosiertes (100 Milligramm) Aspirin und die andere Hälfte ein Placebo.
Nach weniger als fünf Jahren wurde die Studie beendet, weil es in Bezug auf das Neuauftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz oder Behinderungen keinen Unterschied zwischen den beiden Patientengruppen gab. Hingegen gab es eine Differenz in der Anzahl der Blutungen, die eine Transfusion oder einen Spitalsaufenthalt notwendig machten. 361 BlutungsEreignissen in der Aspirin-Gruppe standen nur 265 Fälle in der Placebo-Gruppe gegenüber.
Die wichtigste Aussage der ASPREE-Studie ist daher, dass ältere, gesunde Menschen wegen des erhöhten Blutungsrisikos nicht täglich Aspirin nehmen sollten. Auch eine im Wissenschaftsmagazin „Lancet“veröffentlichte Studie ergab keinen Nutzen von Aspirin für die Primärprävention bei Personen ab 55 Jahren mit einem durchschnittlichen Herz-Kreislauf-Risiko. Eine weitere Studie (ASCEND) untersuchte Erwachsene mit Diabetes, die aber keine bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. Darin führte das tägliche Aspirin über den siebenjährigen Versuchszeitraum zwar dazu, dass etwas weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftraten. Leider kam es aber auch hier zu einer Zunahme schwerer Blutungen. Beide Studien kamen zu dem Schluss, dass der kardiovaskuläre Nutzen von Aspirin durch das Blutungsrisiko weitgehend aufgehoben wird.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Ältere Menschen ohne Infarkt oder Schlaganfall sollten, selbst wenn sie unter Bluthochdruck oder Diabetes leiden, nicht zum täglichen Aspirin greifen. Zu groß ist die Gefahr einer möglichen schweren Nebenwirkung aufgrund der blutverdünnenden Wirkung. Um es aber noch einmal zu betonen: Für Patienten, die bereits einen Infarkt oder Schlaganfall hatten, ist der Nutzen durch Aspirin (Vermeidung von Blutgerinnseln) größer als die damit verbundenen Risiken (Blutungen).