Salzburger Nachrichten

Ältere Menschen sollen nicht täglich Aspirin nehmen

Das Mittel hat eine gerinnungs­hemmende Wirkung, die das Risiko von Herzinfark­ten und Schlaganfä­llen senken kann. Doch es gibt eine andere, schwerwieg­ende Nebenwirku­ng.

- Friedrich Hoppichler ist Internist, Kardiologe, Ärztlicher Leiter des Krankenhau­ses der Barmherzig­en Brüder in Salzburg und Vorstand von SIPCAN (Initiative für ein gesundes Leben).

SALZBURG. Die Bedeutung von Aspirin zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankung­en wird zu einem guten Teil überschätz­t. Die ASPREE-Studie (ASPirin in Reducing Events in the Elderly) zeigte jetzt erstmals: Eine tägliche Aspirin-Dosis verringert bei gesunden älteren Menschen nicht das Herz-Kreislauf-Risiko, sondern erhöht sogar das Risiko für schwere Blutungen.

Das berühmte Schmerzmit­tel Aspirin besteht aus Acetylsali­cylsäure (ASS) und wird schon seit 120 Jahren als Fiebersenk­er und Entzündung­shemmer erfolgreic­h eingesetzt. Lange Zeit war die genaue Wirkungswe­ise von Aspirin ungeklärt. Erst 1971 zeigte der britische Pharmakolo­ge John Vane in seiner nobelpreis­gekrönten Arbeit, wie ASS schmerzsti­llend, fiebersenk­end und entzündung­shemmend wirkt. ASS hat aber auch eine gerinnungs­hemmende Wirkung, die unter anderem das Risiko von Herzinfark­ten und Schlaganfä­llen senken kann. Aus diesem Grund wird es vielen älteren Menschen von ihren Ärzten auch zur täglichen Einnahme verschrieb­en. Obwohl Aspirin in keiner Hausapothe­ke fehlen sollte, ist aber wegen der möglichen Nebenwirku­ngen Vorsicht angebracht. Der Grund liegt darin, dass eine dauerhafte Einnahme zu Blutungsne­igung, also zu Gehirnblut­ungen, und darüber hinaus zu Übelkeit, Sodbrennen und Magengesch­würen führen kann. Dieses erhöhte Blutungsri­siko gilt auch bei Menschen mit Gefäßerkra­nkungen, die bereits einen Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll hatten. Hier ist durch Studien gut belegt, dass die schützende Wirkung von Aspirin vor einem erneuten Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll größer ist als das Risiko, eine Blutung zu erleiden. Die ASPREE-Studie wurde im renommiert­en „New England Journal of Medicine“publiziert und befasste sich mit den Auswirkung­en von Aspirin auf Herz-Kreislauf-Erkrankung­en und Blutungen bei gesunden, über siebzigjäh­rigen Patienten. Die Studie fand von 2010 bis 2014 in den USA und Australien statt. Man rekrutiert­e gesunde Patienten, die weder eine Behinderun­g hatten noch unter Herz-Kreislauf-Erkrankung­en oder Demenz litten. Davon bekam die Hälfte täglich niedrig dosiertes (100 Milligramm) Aspirin und die andere Hälfte ein Placebo.

Nach weniger als fünf Jahren wurde die Studie beendet, weil es in Bezug auf das Neuauftret­en von Herz-Kreislauf-Erkrankung­en, Demenz oder Behinderun­gen keinen Unterschie­d zwischen den beiden Patienteng­ruppen gab. Hingegen gab es eine Differenz in der Anzahl der Blutungen, die eine Transfusio­n oder einen Spitalsauf­enthalt notwendig machten. 361 BlutungsEr­eignissen in der Aspirin-Gruppe standen nur 265 Fälle in der Placebo-Gruppe gegenüber.

Die wichtigste Aussage der ASPREE-Studie ist daher, dass ältere, gesunde Menschen wegen des erhöhten Blutungsri­sikos nicht täglich Aspirin nehmen sollten. Auch eine im Wissenscha­ftsmagazin „Lancet“veröffentl­ichte Studie ergab keinen Nutzen von Aspirin für die Primärpräv­ention bei Personen ab 55 Jahren mit einem durchschni­ttlichen Herz-Kreislauf-Risiko. Eine weitere Studie (ASCEND) untersucht­e Erwachsene mit Diabetes, die aber keine bestehende­n Herz-Kreislauf-Erkrankung­en hatten. Darin führte das tägliche Aspirin über den siebenjähr­igen Versuchsze­itraum zwar dazu, dass etwas weniger Herz-Kreislauf-Erkrankung­en auftraten. Leider kam es aber auch hier zu einer Zunahme schwerer Blutungen. Beide Studien kamen zu dem Schluss, dass der kardiovask­uläre Nutzen von Aspirin durch das Blutungsri­siko weitgehend aufgehoben wird.

Zusammenfa­ssend lässt sich festhalten: Ältere Menschen ohne Infarkt oder Schlaganfa­ll sollten, selbst wenn sie unter Bluthochdr­uck oder Diabetes leiden, nicht zum täglichen Aspirin greifen. Zu groß ist die Gefahr einer möglichen schweren Nebenwirku­ng aufgrund der blutverdün­nenden Wirkung. Um es aber noch einmal zu betonen: Für Patienten, die bereits einen Infarkt oder Schlaganfa­ll hatten, ist der Nutzen durch Aspirin (Vermeidung von Blutgerinn­seln) größer als die damit verbundene­n Risiken (Blutungen).

 ?? BILD: SN/OKSIX / STOCK.ADOBE.COM ?? Aspirin
BILD: SN/OKSIX / STOCK.ADOBE.COM Aspirin

Newspapers in German

Newspapers from Austria