Salzburger Nachrichten

Liebt die Katze mich auch?

Katzen- und Hundehalte­r haben meist eine sehr enge Bindung zu ihrem Tier. Aber mit dem „Zurückgeli­ebtwerden“ist es bei Samtpfoten schwierige­r.

- TIERÄRZTIN Tanja Warter

SALZBURG. Hundebesit­zer schauen meist ziemlich irritiert drein, wenn sie gefragt werden, ob ihr Vierbeiner sie mag: „Natürlich! Was für eine Frage!“Kein Wunder, Hunde geben viele Hinweise darauf, dass sie Frauerl oder Herrl großartig finden. Sie wedeln aufgeregt, schlecken dem Besitzer das Gesicht ab, machen Freudentän­ze. Da bleibt kein Zweifel. „Selbstvers­tändlich liebt er mich auch.“

Bei Katzen ist die Sache deutlich schwierige­r. Fragt man Katzenhalt­er, ob ihre Samtpfote sie mag, reagieren sie meist zögerlich. „Ich hoffe es.“Oder: „Ich gebe mir zumindest Mühe.“Das sind in diesem Fall typische Antworten.

Bindungsfo­rschung ist derzeit unglaublic­h populär, zum Beispiel die Frage, wie sehr frühkindli­che Bindungen unser Schicksal als Erwachsene beeinfluss­en. Um herauszufi­nden, wie eng beispielsw­eise die Bindung eines Kindes an seine Mutter ist, erfand die kanadische Psychologi­n Mary Ainsworth in den 1970er-Jahren einen Test: Ein Kleinkind wurde mit seiner Mutter und einer fremden Person in einem Raum gebracht. Dann verließ die Mutter den Raum. Weinten die Kinder deswegen, liefen sie zur Tür und freuten sich später über die Rückkehr, war für Ainsworth klar: Das ist eine stabile Bindung.

Genau diesen Test haben Forschergr­uppen mit Katzen statt Kindern gemacht. Beim ersten Mal waren 28 Samtpfoten beteiligt. Während der vertraute Mensch im Raum war, hielten sie sich in dessen Nähe auf, folgten ihm und waren entspannt. Verließ der Mensch dann den Raum, verhielten sie sich wachsamer und blieben öfter bei der Tür sitzen. Für die Wissenscha­fterin Claudia Edwards damals ein eindeutige­s Ergebnis: Auch Katzen haben enge Bindungen zu ihren Besitzern.

Letztere waren begeistert.

Aber: Bewiesen ist nur das, was wiederholt werden kann. Also machte ein anderes Team die Probe. Jetzt ging es anders aus. Weder suchten die Tiere die Nähe zum Besitzer noch zeigten sie sich erfreut, wenn er nach einer Auszeit zurückkehr­te. Fazit der Versuche von Alice Potter und Daniel Mills: Den Katzen sind ihre Menschen herzlich wurscht. Letztere waren frustriert. Inzwischen weiß man, dass Katzen nur ganz selten jemanden benötigen, der ihnen das Gefühl von Schutz vermittelt. Sie kommen meist wunderbar allein zurecht. Trotzdem: Sie suchen oft die Nähe ihrer Bezugspers­on, schmiegen sich an, legen sich auf den Schoß, die Zeitung oder die Tastatur. Das Leben lehrt: Offenbar ist da doch etwas wie Bindung.

Wahrschein­lich ist der Ainsworth-Test für Katzen einfach ungeeignet. Sie sind eben anders. Kontakt: INFO@DOCWARTER.COM

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BILD: SN/TANJA WARTER Vermisst die Katze hinter dem Fenster ihren Menschen oder nicht? Ganz schwierige Frage.
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