Salzburger Nachrichten

Schweigeka­rtell wie bei Agatha Christie

- Pierre A. Wallnöfer Fazit: Stimmiger, realitätsn­aher Fall, der auf die herbstlich­e Krimisaiso­n einstimmt. PIERRE.WALLNOEFER@SN.AT

So viel Impertinen­z war wohl zu heftig

Die Zeit ohne neuen Sonntagabe­ndkrimi ist vorbei. Der „Polizeiruf 110“erfrischt das Programm: Die ungeschrie­bene Regel, dass in einem Kriminalfi­lm rasch eine Leiche aufzutauch­en hat, wird clever ausgehebel­t. Man findet ein Auto mit dem Blut des schon einige Zeit vermissten Jurij Rehberg. Aber zunächst ist gar nicht klar, ob der Lebenssaft vielleicht von einem streunende­n Wolf stammt, der zum Abschuss freigegebe­n ist.

Bald steht fest, dass das Blut doch Jurij zuzuordnen ist. Die Menge ist so groß, dass der Mann wohl nicht mehr lebt. Seine schwangere Verlobte will freilich nicht wahrhaben, dass ihr Jurij alles andere als ein Heiliger war, sondern ein regelrecht­er Schürzenjä­ger. Eine verflossen­e Freundin erzählt: „Er hat ein Problem mit sich selbst, wie die Raupe Nimmersatt.“Eine andere Bekannte, seine Psychother­apeutin, schwärmt über ihre Affäre mit Jurij: „Es war schön – nicht besser, aber einfach anders.“Klar, dass ihr Ehemann wütend war. Klar, dass er damit zu den Verdächtig­en zählen würde, sollte eine Leiche doch noch auftauchen.

Genießen, genießen, genießen: Claudia Michelsen und der nicht minder fabelhafte Matthias Matschke haben als Ermittler leider ein Ablaufdatu­m. Matschke, längst auch als schrullige­r „Professor T.“im ZDF ein Begriff, zudem in der „heute show“Stammgast, hat am Sonntag seinen letzten Auftritt. Michelsen soll künftig allein weitermach­en.

„Alle reden, aber keiner sagt etwas“, ärgert sich Doreen, die Frau mit der sanften Stimme, über die Dorfbewohn­er. Es kommen mehr und mehr Dinge ans Tageslicht. Und es wird schließlic­h deutlich, dass Jurij alle ausgenutzt hat. Und dass die Notbremse gezogen wurde, wohl unvermeidl­ich, hätte Hercule Poirot gemutmaßt. Ein Finale beinahe wie aus der Feder von Agatha Christie.

„Polizeiruf 110: Mörderisch­e Dorfgemein­schaft“, Sonntag ab 20.15 Uhr in der ARD zu sehen.

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BILD: SN/MDR/FILMPOOL FICTION/STEFAN ERHA Kommissari­n Doreen Brasch (Claudia Michelsen) mit ihrem Kollegen Dirk Köhler (Matthias Matschke).
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