Feminismus soll man leben, nicht lernen
Feminismus als Schulfach? Forderungen wie diese könnten nach hinten losgehen – und sie zeigen, wie viel noch zu tun ist.
Auch die Schweiz ist im Wahlkampf. In Basel haben nun die Jungsozialisten aufhorchen lassen: Sie fordern ein Schulfach für Feminismus. Gleichberechtigung soll im Lehrplan verankert werden, Gewalt an Frauen damit bekämpft werden. Wie zu erwarten, gingen in den Onlineforen von Schweizer Zeitungen die Wogen hoch. Von Indoktrination und Ungerechtigkeit war die Rede – fast schon ritualisiert wirkende Reaktionen, wie man sie bei jedem feministischen Vorstoß findet, egal ob dieser provokant oder harmlos, weitreichend oder unbedeutend ist. Sieht man über diese intuitive Abwehrhaltung von Feminismus-Gegnern hinweg, bleibt die Frage, ob an dem Vorschlag der Schweizer Jungsozialisten etwas dran ist: Brauchen wir ein Schulfach für Feminismus?
Auch wenn sich diese Frage in absehbarer Zeit sowieso nicht stellen dürfte, ist die Forderung bezeichnend dafür, wie immer wieder versucht wird, Feminismus als „Lektion“zu vermitteln, als abgekapseltes Phänomen, das man sich „aneignen“sollte, um die Welt ein Stück besser zu machen. So einfach ist es leider nicht.
Ein Schulfach für Feminismus wäre der falsche Weg. Denn eines müssen wir uns bewusst machen: Gewalt an Frauen wird nicht durch fehlende Bildung verursacht, sondern durch aggressive Männer. Schulunterricht macht den Alltag für Frauen nicht sicherer, sondern macht bestenfalls darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, das Thema schon mit Kindern und Jugendlichen zu behandeln. Ihnen ein paar Stunden pro Woche eine Zwangslektion Feminismus aufzudrücken könnte eher nach hinten losgehen: Die Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen, würde sinken, die Abwehrhaltung verstärkt. Feminismus wäre das nervige Laster, dem man sich irgendwann zwischen Mathe und Latein widmen muss. Davon abgesehen ist es zu einfach, immer ein Schulfach zu fordern, wenn man gesellschaftliche Mängel kritisiert. Das zeigt einmal mehr, dass Gleichberechtigung noch längst nicht in unseren Köpfen verankert ist. Wenn wir Kindern und Jugendlichen eine gleichberechtigte Welt vorleben, stellt sich diese Frage gar nicht. Leben wir ihnen eine Welt vor, in der es null Toleranz bei Gewalt an Frauen gibt, können wir uns Abschreckungsmaßnahmen sparen.
Wie wir Feminismus an die nächste Generation weitergeben, hängt davon ab, was in uns selbst geschieht, und nicht davon, was im Klassenzimmer gelehrt wird. Natürlich ist die Schule ein Ort der Identitätsbildung. Gesellschaftliche Fragestellungen und Werte sollten dort Platz finden. Dazu zählen auch Feminismus und Gleichberechtigung. Zum Pauken eignet sich der Stoff aber nicht. Feminismus sollten wir nicht lernen, sondern leben und vorleben.