Salzburger Nachrichten

„Ich muss in der Rolle einen Teil von mir finden“

„Simon Boccanegra“der Salzburger Festspiele ist seit Sonntag fertig geprobt. Darin hat Marina Rebeka die einzige Frauenroll­e.

- www.SN.at/festspiele

Welch ein Opernstoff! Knapp zehn Minuten benötigt Marina Rebeka, um die Handlung des „Simon Boccanegra“zu erläutern. „Es ist eine sehr komplexe Story“, sagt sie, „eine Liebesgesc­hichte inmitten eines politische­n Spiels.“Marina Rebeka verkörpert bei den Salzburger Festspiele­n Amelia, die einzige Frauenfigu­r in Giuseppe Verdis Oper. Sie verliebt sich in den Grafen Gabriele – und gerät mitten in den Zwist zwischen ihrem Vater Simon Boccanegra und ihrem Großvater Jacopo Fiesco.

Spricht Marina Rebeka über die Musik, dann gerät sie ins Schwärmen: „Hören Sie sich nur das erste Finale an! Diese große Revolution, alles fließt zusammen. Es ist solch eine starke, erstaunlic­he Musik.“Die lettische Sopranisti­n mag nicht nur die Musik dieser Oper, die am Donnerstag Premiere hat, sondern auch Amelia. Sie sei eine „starke Frau“, die in ihrer Stimme ausdrücken könne, was sie fühle.

Das Einfühlen in die Figuren sei wichtig für ihre Art der Bühnenkuns­t, erzählt sie. „Ich muss immer einen Teil von mir selbst in der Rolle finden.“Ein gutes Beispiel sei Norma, die sie in der kommenden Saison in Toulouse und Hamburg verkörpern wird. „Du musst eine Mutter sein, ein Liebhaber, eifersücht­ig, ein guter Freund, eine Frau mit sehr großem Herzen: Verschiede­ne Aspekte davon kann ich in mir finden. Es muss nicht heißen, dass ich so bin. Aber es hilft mir, mich besser in die Figur einzufühle­n.“

Marina Rebeka ist im Sternzeich­en der Jungfrau geboren. Jungfrauen wird nachgesagt, analytisch, exakt und ordnungsli­ebend zu sein. Marina Rebeka offenbart sich im Gespräch nicht nur als profunde Kennerin von Rollen, Stimmfarbe­n oder der Operngesch­ichte. Sie überlässt auch in ihrer Karriere kaum etwas dem Zufall. In jüngster Zeit habe sie einige Rollen abgesagt, erzählt sie, etwa Lucia di Lammermoor in Zürich und Amsterdam. „Wenn ich weiterhin Lucia gesungen hätte, würde ich mir nicht erlauben, die Mittellage und die tiefere Lage weiterzuen­twickeln.“Danach habe sie Donna Anna in Wien und Chicago abgesagt, weil sie gleichzeit­ig Mimi und Norma gesungen habe. „Es ist nicht darum gegangen, ob ich die Donna Anna singen kann. Ich habe eine Vorstellun­g von Klang für ein spezifisch­es Repertoire. Und Mozart muss den perfekten Klang haben, immer exakt auf dem Ton.“

Ähnlich durchdacht geht Marina Rebeka auch an die Dokumente heran, die später an ihre Kunst erinnern werden: Im Vorjahr hat sie ein eigenes Label namens „Prima Classic“gegründet. Das erste Album, das sie darauf veröffentl­icht hat, präsentier­t die Sängerin in einer ihrer Spezialdis­ziplinen, dem dramatisch­en Belcanto. Rebeka singt auf „Spirito“große Arien von Bellini und Donizetti, etwa „Casta diva“aus der „Norma“. Nichts sei so delikat und schwierig wie Belcanto, „wo du völlig allein – a cappella – Rezitative singst. Ändert man die Tonart nicht exakt und das Orchester stimmt ein, merkt jeder, dass es völlig falsch ist. Man ist völlig blank.“

Marina Rebekas breites Repertoire, das von Mozart bis Puccini reicht, folgt einer klugen Karrierepl­anung. Lange Zeit habe sie außer „Traviata“keine Verdi-Rolle angerührt, weil sie sich noch nicht bereit gefühlt habe. Nun singe sie Leonora im „Trovatore“und die Amelia in „Simon Boccanegra“, weitere VerdiRolle­n seien bereits geplant. „Ich habe mich zu Verdi hinbewegt und genieße es sehr“, sagt sie.

Auch den Sommer, den sie mit ihrer Familie in Salzburg verbringe, genieße sie: „Es fühlt sich wie eine Heimkehr an.“Das Festspield­ebüt liegt bereits zehn Jahre zurück, als sie in Rossinis „Moïse et Pharaon“ bleibende Eindrücke hinterließ. Dem folgte 2016 eine konzertant­e „Thaïs“an der Seite von Plácido Domingo. In der Neuinszeni­erung des „Simon Boccanegra“singe sie an der Seite von Luca Salsi oder Charles Castronovo. Mit Charles Castronovo habe sie auch eine „Traviata“eingesunge­n, die auf ihrem Label in Kürze veröffentl­icht werde. Und wenn der Festspielt­rubel einmal zu viel wird? Da habe sie ein einfaches Mittel, erzählt Marina Rebeka: schallgesc­hützte Kopfhörer. Oper: „Simon Boccanegra“von Giuseppe Verdi. Salzburger Festspiele, Premiere am 15. August. Weitere Szenenbild­er online auf

„Ich habe mich zu Verdi hinbewegt und genieße es sehr.“Marina Rebeka, Sopranisti­n

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BILD: SN/COPYRIGHT BY: FRANZ NEUMAYR PRES Marina Rebeka als Amelia in „Simon Boccanegra“. Premiere ist am Donnerstag.

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