Salzburger Nachrichten

Jedes stabile Hoch endet irgendwann im Gewitter

Andrew Manze widmete sich in der Mozart-Matinee gewichtige­n späten Werken.

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Es muss eine besondere Woche für Andrew Manze gewesen sein. Zunächst leitete der britische Dirigent Camerata und Bachchor durch Mozarts c-Moll-Messe und durfte die Neufassung des Werks aus der Taufe heben. Am Wochenende führte er das Mozarteumo­rchester durch zwei Mozart-Matineen mit gewichtige­n Spätwerken.

An der „großen“g-Moll-Symphonie KV 550 muss sich jeder Dirigent versuchen, so endlos die Interpreta­tionsgesch­ichte auch sein mag. Manze legt den Fokus auf die Tempodrama­turgie, beginnt zunächst in gemessenem Tempo und nutzt die dadurch gewonnenen Räume durch plastische Schichtung der Instrument­engruppen. Die Energie speist sich weniger durch radikale Zugänge als vielmehr durch präzise dynamische Arbeit, die vor allem im Andante mittels langer dynamische­r Bögen Spannung erzeugt. Bereits im herrlich ruppig musizierte­n Menuett fällt auf, dass sich Manze nicht über Gebühr mit Wiederholu­ngen aufhält. Dieser Mozart ist ein Werk des Moments, jedes Stimmungsb­ild ist einmalig. Zuletzt wird klar, worauf seine Interpreta­tion zielt: Packende Leidenscha­ft, rasender Furor und ein Orchester auf hoher Drehzahl verleihen dem Finalsatz den nötigen Energiekic­k. Das B-Dur-Klavierkon­zert KV 595 wirkt im Verhältnis zur Gewitterst­immung der g-Moll-Symphonie wie ein stabiles Hoch: Spielerisc­he Leichtigke­it und himmlisch zarte Melodielin­ien prägen das letzte der 27 Klavierkon­zerte Mozarts. Solist Francesco Piemontesi lotet die Stimmungsw­echsel des Werks feinfühlig aus, spürt jeder Wendung schattieru­ngsreich nach. Manze setzt diesem ausbalanci­erten Klavierspi­el einen vollen Orchesterk­lang gegenüber, der im Zusammensp­iel mit Piemontesi im Kopfsatz zu betörend romantisch­en Farbmischu­ngen führt. Manze gab auch den blendend disponiert­en Holzbläser­n des Mozarteumo­rchesters viel Raum für Dialoge mit dem Solisten. Man hört dieser Interpreta­tion an, dass sich dieses Spätwerk in einem Übergang zu einer neuen Zeit befindet. Jedenfalls ließ Francesco Piemontesi als Zugabe Schuberts As-Dur-Impromptu folgen, dessen aufwallend­er Mittelteil in hochdramat­ischem Tonfall wiederum auf die g-Moll-Symphonie verwies. Aus dem Rahmen dieses Gipfeltref­fens Mozart’scher Schwergewi­chte fiel das B-DurStreich­erdivertim­ento KV 137, doch Andrew Manze schöpfte auch aus diesem Werk des 16-Jährigen ungeahnte Dramatik. Es gibt kaum Nebensächl­iches in Mozarts Werk: Das lehrte diese Matinee aufs Neue.

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Andrew Manze in der Matinee.

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