Wird Käse mit Musik besser?
In der Schweiz gibt es Versuche, den Reifeprozess der Laibe zu beeinflussen. Die Mikroorganismen scheinen bestimmte Frequenzen zu bevorzugen.
Käse und Musik, da denkt so mancher wohl an Exemplare, die wegen der Geräusche beim Verdauungsprozess den Zusatz „mit Musik“tragen. Aber die Schweizer sind jetzt einem ganz anderen Phänomen auf der Spur. Sie testen, ob die Beschallung von Käselaiben im Reifungsprozess den Geschmack beeinflusst.
Angefangen hat alles als Kunstprojekt an der Hochschule der Künste in Bern. „Wir wollten die Studierenden in die Welt hinausschicken, damit sie Projekte außerhalb der Hochschule realisieren“, sagt Christian Pauli, Projektverantwortlicher der Hochschule. Bei der Suche nach solchen Projekten kam Beat Wampfler ins Spiel, Tierarzt aus Burgdorf im Emmental und Hobby-Käsehändler. Sein Großvater war Käser, sein Bruder ist Milchbauer.
„Menschen und Tiere reagieren auf äußere Einflüsse wie Musik – warum sollen Schallwellen nicht auch die Mikroorganismen im Käse beeinflussen – das habe ich mich schon länger gefragt“, erzählt Wampfler in seinem unterirdischen Käselager in Burgdorf, untermalt von Klängen von Eminem und einer Volksmusikband. Die feuchte Luft riecht erdig, perfekte Bedingungen für das monatelange Reifen der Käselaibe. Die Hochschule und der Hobbykäser fanden zusammen. Sieben Monate wurden die Käselaibe jeweils unterschiedlich beschallt, in einer Holzkiste, in der die Schallwellen der Musik direkt über ein Holzbrett auf den darauf liegenden Käse übertragen wurden. Mozarts „Die Zauberflöte“war dabei, ebenso Led Zeppelins „Stairway To Heaven“und die Hip-Hop-Gruppe A Tribe Called Quest mit „Jazz (We’ve Got)“.
Bei einer Blindverkostung im Frühling gab es einen klaren Sieger: Die Experten waren sich einig, dass der Hip-Hop-Käse am fruchtigsten schmeckte. Der Clou kam einige Wochen später: Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) fand heraus, dass der Käse sich je nach Musik unterschiedlich entwickelt hatte. In mit tiefen Frequenzen beschallten Käsen – bei Hip-Hop – gab es die meisten freien und gebundenen Aminosäuren. Zudem wurden mehr Aromastoffe und Propionsäure nachgewiesen als in anderen Proben.
Tilo Hühn, Professor für Lebensmittel-Prozesstechnik, bleibt zurückhaltend, solange die Ergebnisse nicht in drei weiteren Versuchen ähnlich nachgewiesen werden. Diese Versuche sind geplant. „Wenn dann das Ergebnis ist, dass wir den Reifeprozess von Käse über Frequenzen beeinflussen können, wäre das eine Sensation“, sagt er.
Für Wissenschafter Hühn ist naheliegend, dass die Frequenzen der Musik eine Wirkung auf die Schwingungen der Membranen bei den Mikroorganismen haben, die in der Reifephase aus Milch Käse machen. Biotransformation nennt man das. Die Mikroorganismen, in diesem Fall Bakterien, sind Lebewesen, und wenn deren Membranen schwingen, könnte das den Stoffaustausch beeinflussen, wie Hühn sagt. Für eindeutige Rückschlüsse sei es noch zu früh.
Indische Forscher haben 2015 nachgewiesen, dass Musik Einfluss auf Mikroorganismen hat. Fast alle seien durch die Beschallung besser gewachsen, sagen sie.