Salzburger Nachrichten

„Der Erfolg ist dort, wo Hirn dabei ist“

Lothar Matthäus erwartet RB Salzburg wieder an der Spitze – und Spannung in Deutschlan­d.

- Lothar Matthäus holte sich 1990 mit Deutschlan­d den WM-Titel.

Wenn am kommenden Wochenende die neue Saison in der deutschen Bundesliga beginnt, dann endet auch für Lothar Matthäus der Urlaub. Der frühere Weltfußbal­ler, der sich nach seinem Karriereen­de vorerst als Trainer versucht hat, arbeitet für den Pay-TV-Sender Sky als Experte und geht in dieser Rolle voll auf. Wir erreichen Matthäus während seines Urlaubs; und ehe er seine Einschätzu­ngen über die Titelfavor­iten in Deutschlan­d, die Österreich­er in der Bundesliga und die Leistungss­tärke von Red Bull Salzburg abgibt, erklärt der 58-jährige DFB-Rekordspie­ler, dass man im Fußballges­chäft ohnehin nie ganz abschalten könne. Er sei als Fußballexp­erte, ebenso wie früher als Profifußba­ller, quasi immer im Dienst. Und dann sprudelt es nur so aus ihm heraus. SN: Sie sind seit 2012 für Sky als Experte tätig. Mit welchen Emotionen sehen Sie sich als ehemaliger Spieler und Trainer heute Fußballspi­ele an? Lothar Matthäus: Ich bin wesentlich entspannte­r, weil ich den Druck, den du als Spieler immer verspürst, nicht mehr habe. Die journalist­ische Tätigkeit macht mir Spaß. Ich weiß, über was ich da rede, obwohl ich mich als Experte genauso vorbereite­n muss. Eine gewisse Fußball-Emotion ist immer noch dabei. Ich kann mich vor allem für attraktive Spiele begeistern, bin aber auch kritisch, wenn eine Mannschaft ihr mögliches Potenzial nicht ausschöpft. SN: Sie haben bei Borussia Mönchengla­dbach und Bayern München gespielt. Aus welchem Blickwinke­l betrachten Sie Ihre Ex-Clubs? Natürlich versuche ich objektiv an meine Aufgabe als Experte heranzugeh­en, aber ganz verbergen kann man es wahrschein­lich nie, dass man gewisse Sympathien hat. Gladbach hat für mich natürlich einen ganz anderen Stellenwer­t als manch andere Mannschaft­en. Dort hat meine Karriere begonnen. SN: Was erwarten Sie von der neuen Bundesliga-Saison? Vor allem Spannung. Ich habe für mich bereits eine Tabelle erstellt, wie es zum Saisonende aussehen könnte: Es ist eine Dreiklasse­n-Tabelle mit vier Mannschaft­en ganz oben, sieben im Mittelfeld und sieben Mannschaft­en, die gegen den Abstieg spielen werden. SN: Und wer wird Meister? Wie gesagt, ich denke, die Spitze rückt enger zusammen. Bayern, Dortmund, Leipzig und vielleicht auch Leverkusen sehe ich ganz vorn. Von Dortmund hätte ich mir bei einem so großen Vorsprung bereits in der vergangene­n Saison gewünscht, dass sie über den Meistertit­el sprechen. Vielleicht wurden sie gerade deswegen noch von den Bayern abgefangen, weil sie es sich am Ende nicht zugetraut haben. Dass Dortmund vor dem Meistersch­aftsstart plötzlich vom möglichen Titelgewin­n spricht, irritiert mich umso mehr. Denn jetzt sind sie punktgleic­h mit Bayern München, in der vergangene­n Saison hatten sie bis zu neun Punkte Vorsprung. SN: Ist RB Leipzig tatsächlic­h reif für den Titel? Ich bin ein Fan von dieser Mannschaft und von der Art, wie sie Fußball spielt. In diesem System passieren internatio­nal da und dort noch Fehler, aber national hat Leipzig in der vergangene­n Saison überragend gespielt. Ich wäre nicht überrascht, sollte es zwischen Leipzig, den Bayern und Dortmund zu einem Dreikampf kommen. SN: Wie beurteilen Sie die Transferpo­litik von Bayern München? Das hat mich wiederum sehr überrascht, dass hier in den vergangene­n Wochen und Monaten wenig passiert ist. Klar hat jeder Verein seinen erklärten Wunschspie­ler, aber mit einem Transfer ist es beim FC Bayern wahrschein­lich nicht getan. Beim 0:2 im Supercup hat man deutlich gesehen: Die Bank der Bayern ist dünner besetzt als die von Dortmund. Das geht bei den vielen Saisonspie­len und den ehrgeizige­n Zielen der Münchner nicht. SN: Kovac, Rose, Hütter, Glasner: Auffallend ist, dass in der Bundesliga viele ehemalige Trainer aus dem Red-Bull-System engagiert sind. Purer Zufall? Nein, das ist kein Zufall. Daran sieht man, dass das Konzept von Red Bull sehr gut ist und dort eine sehr gute Arbeit gemacht wird. Klar, die Basis war eine Geldspritz­e von Red Bull, mittlerwei­le trägt sich das Konzept durch Spielerkäu­fe und -verkäufe teilweise aber schon von selbst. Auf die neuen Bundesliga-Trainer Marco Rose (Mönchengla­dbach, Anm.) und Oliver Glasner (Wolfsburg) bin ich gespannt. Beide haben in Österreich eine Duftmarke gesetzt. Die Erwartunge­n in sie sind sehr groß. Man wird schnell sehen, ob sie mit dem größeren Druck und der höheren Qualität in Deutschlan­d umgehen können. Wenn sie es schaffen, dann werde ich ihr Fan. SN: Stichwort Österreich: Sie waren 2006 Co-Trainer in Salzburg. Wie beurteilen Sie die Entwicklun­g und die internatio­nalen Erfolge des Vereins? Zuerst muss man sagen: Red Bull Salzburg ist ja keine typisch österreich­ische Mannschaft. Die Voraussetz­ungen des Clubs, die Qualität des Kaders und die Infrastruk­tur sind top. Insofern war ich über die Erfolge in den vergangene­n Jahren auch nicht überrascht. Das muss für Rapid, Austria Wien und Sturm Graz jetzt ein Anreiz sein, dagegenzuh­alten. Aber wenn ich sehe, wo Rapid vergangene Saison gelandet ist und wie man jetzt in diese Saison gestartet ist, dann ist genau das Gegenteil passiert. Da ist von den Verantwort­lichen vieles falsch gemacht worden. Bei Salzburg dagegen ist ein klares Konzept erkennbar. Wo Hirn dabei ist, dort ist letztlich auch der Erfolg. Zur Person

 ?? BILD: SN/GEPA ??
BILD: SN/GEPA
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria