„Der Erfolg ist dort, wo Hirn dabei ist“
Lothar Matthäus erwartet RB Salzburg wieder an der Spitze – und Spannung in Deutschland.
Wenn am kommenden Wochenende die neue Saison in der deutschen Bundesliga beginnt, dann endet auch für Lothar Matthäus der Urlaub. Der frühere Weltfußballer, der sich nach seinem Karriereende vorerst als Trainer versucht hat, arbeitet für den Pay-TV-Sender Sky als Experte und geht in dieser Rolle voll auf. Wir erreichen Matthäus während seines Urlaubs; und ehe er seine Einschätzungen über die Titelfavoriten in Deutschland, die Österreicher in der Bundesliga und die Leistungsstärke von Red Bull Salzburg abgibt, erklärt der 58-jährige DFB-Rekordspieler, dass man im Fußballgeschäft ohnehin nie ganz abschalten könne. Er sei als Fußballexperte, ebenso wie früher als Profifußballer, quasi immer im Dienst. Und dann sprudelt es nur so aus ihm heraus. SN: Sie sind seit 2012 für Sky als Experte tätig. Mit welchen Emotionen sehen Sie sich als ehemaliger Spieler und Trainer heute Fußballspiele an? Lothar Matthäus: Ich bin wesentlich entspannter, weil ich den Druck, den du als Spieler immer verspürst, nicht mehr habe. Die journalistische Tätigkeit macht mir Spaß. Ich weiß, über was ich da rede, obwohl ich mich als Experte genauso vorbereiten muss. Eine gewisse Fußball-Emotion ist immer noch dabei. Ich kann mich vor allem für attraktive Spiele begeistern, bin aber auch kritisch, wenn eine Mannschaft ihr mögliches Potenzial nicht ausschöpft. SN: Sie haben bei Borussia Mönchengladbach und Bayern München gespielt. Aus welchem Blickwinkel betrachten Sie Ihre Ex-Clubs? Natürlich versuche ich objektiv an meine Aufgabe als Experte heranzugehen, aber ganz verbergen kann man es wahrscheinlich nie, dass man gewisse Sympathien hat. Gladbach hat für mich natürlich einen ganz anderen Stellenwert als manch andere Mannschaften. Dort hat meine Karriere begonnen. SN: Was erwarten Sie von der neuen Bundesliga-Saison? Vor allem Spannung. Ich habe für mich bereits eine Tabelle erstellt, wie es zum Saisonende aussehen könnte: Es ist eine Dreiklassen-Tabelle mit vier Mannschaften ganz oben, sieben im Mittelfeld und sieben Mannschaften, die gegen den Abstieg spielen werden. SN: Und wer wird Meister? Wie gesagt, ich denke, die Spitze rückt enger zusammen. Bayern, Dortmund, Leipzig und vielleicht auch Leverkusen sehe ich ganz vorn. Von Dortmund hätte ich mir bei einem so großen Vorsprung bereits in der vergangenen Saison gewünscht, dass sie über den Meistertitel sprechen. Vielleicht wurden sie gerade deswegen noch von den Bayern abgefangen, weil sie es sich am Ende nicht zugetraut haben. Dass Dortmund vor dem Meisterschaftsstart plötzlich vom möglichen Titelgewinn spricht, irritiert mich umso mehr. Denn jetzt sind sie punktgleich mit Bayern München, in der vergangenen Saison hatten sie bis zu neun Punkte Vorsprung. SN: Ist RB Leipzig tatsächlich reif für den Titel? Ich bin ein Fan von dieser Mannschaft und von der Art, wie sie Fußball spielt. In diesem System passieren international da und dort noch Fehler, aber national hat Leipzig in der vergangenen Saison überragend gespielt. Ich wäre nicht überrascht, sollte es zwischen Leipzig, den Bayern und Dortmund zu einem Dreikampf kommen. SN: Wie beurteilen Sie die Transferpolitik von Bayern München? Das hat mich wiederum sehr überrascht, dass hier in den vergangenen Wochen und Monaten wenig passiert ist. Klar hat jeder Verein seinen erklärten Wunschspieler, aber mit einem Transfer ist es beim FC Bayern wahrscheinlich nicht getan. Beim 0:2 im Supercup hat man deutlich gesehen: Die Bank der Bayern ist dünner besetzt als die von Dortmund. Das geht bei den vielen Saisonspielen und den ehrgeizigen Zielen der Münchner nicht. SN: Kovac, Rose, Hütter, Glasner: Auffallend ist, dass in der Bundesliga viele ehemalige Trainer aus dem Red-Bull-System engagiert sind. Purer Zufall? Nein, das ist kein Zufall. Daran sieht man, dass das Konzept von Red Bull sehr gut ist und dort eine sehr gute Arbeit gemacht wird. Klar, die Basis war eine Geldspritze von Red Bull, mittlerweile trägt sich das Konzept durch Spielerkäufe und -verkäufe teilweise aber schon von selbst. Auf die neuen Bundesliga-Trainer Marco Rose (Mönchengladbach, Anm.) und Oliver Glasner (Wolfsburg) bin ich gespannt. Beide haben in Österreich eine Duftmarke gesetzt. Die Erwartungen in sie sind sehr groß. Man wird schnell sehen, ob sie mit dem größeren Druck und der höheren Qualität in Deutschland umgehen können. Wenn sie es schaffen, dann werde ich ihr Fan. SN: Stichwort Österreich: Sie waren 2006 Co-Trainer in Salzburg. Wie beurteilen Sie die Entwicklung und die internationalen Erfolge des Vereins? Zuerst muss man sagen: Red Bull Salzburg ist ja keine typisch österreichische Mannschaft. Die Voraussetzungen des Clubs, die Qualität des Kaders und die Infrastruktur sind top. Insofern war ich über die Erfolge in den vergangenen Jahren auch nicht überrascht. Das muss für Rapid, Austria Wien und Sturm Graz jetzt ein Anreiz sein, dagegenzuhalten. Aber wenn ich sehe, wo Rapid vergangene Saison gelandet ist und wie man jetzt in diese Saison gestartet ist, dann ist genau das Gegenteil passiert. Da ist von den Verantwortlichen vieles falsch gemacht worden. Bei Salzburg dagegen ist ein klares Konzept erkennbar. Wo Hirn dabei ist, dort ist letztlich auch der Erfolg. Zur Person