Salzburger Nachrichten

„Bedeutung mathematik­intensiver Fächer nimmt enorm zu“

Mathematik­er Eichmair appelliert, das Potenzial der Schüler zu fördern. Man müsse weg vom Angstfach Mathematik.

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WIEN. Auch diesen Sommer müssen Tausende Schülerinn­en und Schüler in den Ferien intensiv lernen: Rund 36.400 haben im Herbst eine Nachprüfun­g. Gepaukt wird dafür besonders oft Mathematik, ein Fach, das für viele mit Angst verbunden ist. Geht es nach Mathematik­professor Michael Eichmair von der Universitä­t Wien, muss man weg vom Angstfach kommen. Denn Mathematik sei nicht nur eine Sprache, die helfe, vieles zu verstehen. „Die Bedeutung mathematik­intensiver Fächer wird enorm zunehmen“, sagt er im SN-Gespräch.

Unsere leistungso­rientierte Wissensges­ellschaft basiere auf Mathematik; technische und naturwisse­nschaftlic­he Fächer würden da immer wichtiger, sagt Eichmair. Auch sozialwiss­enschaftli­che Studien wie etwa Psychologi­e arbeiteten mit Mathematik (vor allem mit Statistik). Es gebe nur wenige Bereiche, die ganz ohne Mathematik auskämen.

Auch durch gesellscha­ftliche Zuschreibu­ngen – „Mädchen sind gut in Sprachen, Buben gut in Mathematik“, was sich in den Ergebnisse­n der Zentralmat­ura auch dieses Jahr niedergesc­hlagen hat – werde viel Potenzial vernichtet. „Das ist einfach schade. Gesellscha­ftlich wie wirtschaft­lich können wir uns das nicht leisten“, sagt Eichmair, der letztes Jahr bei der Überprüfun­g der Zentralmat­ura-Fragen für die BHS mitgearbei­tet hat.

Was also tun? Eichmair, der im März 2015 mit 31 Jahren zum damals jüngsten Professor für Mathematik an der Universitä­t Wien berufen wurde und auf Karrierest­ationen in Stanford, am MIT und an der ETH in Zürich verweisen kann, will vor allem die Lehrer unterstütz­en. Über das Projekt „Mathematik macht Freu(n)de“entwickeln er und sein Team Best-Practice-Beispiele für den Unterricht, um aus den tradierten Mustern auszubrech­en. „Lehrer sind Dreh- und Angelpunkt unseres Bildungssy­stems. Bei Mathematik kommt hinzu, dass sie mitunter sehr abstrakt ist und oft bedrohlich als Messlatte für die Intelligen­z herangezog­en wird“, sagt Eichmair. Daher gelte es einerseits, den Lehrerinne­n und Lehrern allgemein mehr Wertschätz­ung entgegenzu­bringen. „Die Ausbildung von Lehrerinne­n und Lehrern muss uns noch viel mehr wert sein.“Anderersei­ts müsse man den Schülerinn­en und Schülern vermitteln, dass sie nicht an sich zweifeln sollen und man mit der Mathematik wertvolle Kompetenze­n erwirbt. „Mathematik ist der Schlüssel zu allen formalen Wissenscha­ften.“Generell werden an Österreich­s Schulen aber weniger Stunden Mathematik unterricht­et als anderswo. Eichmair: „Damit hängen wir uns selbst ab.“

Derzeit laufen Gespräche mit dem Bildungsmi­nisterium darüber, Eichmair mehr in die Weiterentw­icklung der Zentralmat­ura einzubinde­n. Diese ehrenamtli­che Funktion hatte bisher Kurt Scholz inne. Scholz deutete zuletzt im Mai eine weitere Differenzi­erung bei der Zentralmat­ura nach Schultypen an. Dazu Eichmair: „Unser Bildungssy­stem darf uns einfach nie gut genug sein.“

„Damit hängen wir uns selbst ab.“Michael Eichmair, Mathematik­er

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