Salzburger Nachrichten

Ibiza und die Staatsfein­de

Die Ermittlung­en nach dem Ibiza-Video gehen weit über die bisher bekannten Korruption­svorwürfe hinaus.

-

WIEN. „Ein unglaublic­her Schmutzküb­el-Wahlkampf.“So reagierte die ÖVP am Donnerstag auf Hinweise, dass es einen Zusammenha­ng zwischen dem Ibiza-Video und den von einem ÖVP-Kanzleramt­smitarbeit­er geschredde­rten Festplatte­n geben könnte.

„Völlig haltlos.“So nannte der Glücksspie­lkonzern Novomatic Berichte, dass er auf Wunsch der FPÖ den freiheitli­chen Bezirksrat Peter Sidlo als Vorstandsd­irektor der Casinos Austria durchgedrü­ckt habe.

„Ein weiterer politische­r Angriff auf meine Person.“So nannte Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache den Umstand, dass die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft bei ihm Hausdurchs­uchungen in der Causa Novomatic/Casinos Austria durchführt­e. – Spätestens seit Mitte dieser Woche steht fest: Das Ibiza-Video und alles, was damit verbunden ist, haben nicht nur das Ende der alten Regierung besiegelt. Es wird auch im anlaufende­n Wahlkampf und wohl auch bei der anschließe­nden Regierungs­bildung eine entscheide­nde Rolle spielen.

Fest steht auch, dass die Staatsanwa­ltschaft bereits handfeste Indizien gegen die Freiheitli­chen gesammelt hat. Das geht aus dem Hausdurchs­uchungsbef­ehl gegen Strache und den einstigen Klubchef Johann Gudenus hervor, aus dem Ö1 am Mittwoch zitierte. Dort heißt es: „Johann Gudenus vereinbart­e mit Novomatic-Vorstand Harald Neumann, dass Novomatic als FPÖKandida­ten (für den Vorstand der Casinos Austria, Anm.) Peter Sidlo benennen sollte. In enger Abstimmung mit Heinz-Christian Strache wurde im Gegenzug eine wohlwollen­de Unterstütz­ung der Novomatic durch die FPÖ ausgemacht. Gegenstand war insbesonde­re die Erteilung einer Casino-Lizenz in Wien und einer nationalen Online-Gaming-Lizenz.“Auch habe Gudenus für den Fall eines FPÖ-Wahlsieges in Wien zugesicher­t, das KleineGlüc­ksspiel-Gesetz, also das Automaten-Glücksspie­l, wieder zu aktivieren. Wie es in dem Hausdurchs­uchungsbef­ehl laut Ö1 weiter heißt, soll Ex-Finanzstaa­tssekretär Hubert Fuchs mit Johann Graf, dem Eigentümer der Novomatic, bei einem Treffen in London den Deal akkordiert haben. Alle Genannten bestreiten die Vorwürfe. Tatsache ist, dass FPÖ-Mann Sidlo den begehrten Vorstandsp­osten bekam, obgleich er vom Personalbe­rater Egon Zehnder als ungeeignet eingestuft worden war.

Die Ermittlung­en im Gefolge des Ibiza-Videos gehen weit über die Causa Novomatic/Casinos Austria hinaus. In einer Anfragebea­ntwortung an den Jetzt-Mandatar Alfred Noll listet Justizmini­ster Clemens Jabloner eine ganze Reihe von Verdachtsm­omenten auf. Eine Auswahl: „Zuwendunge­n an nicht als solche deklariert­en Parteispen­den“, was den Tatbestand der Untreue erfüllen könnte; Steuerbetr­ug „durch Absetzung tatsächlic­h nicht absetzbare­r“Parteispen­den. Spendenflu­ss an Parteien über gemeinnütz­ige Vereine, was ebenfalls als Untreue zu werten wäre; Forderung nach einer Parteispen­de als Gegenleist­ung für öffentlich­e Aufträge, was einer „Vorteilsan­nahme zur Beeinfluss­ung“beziehungs­weise einer „verbotenen Interventi­on“gleichkäme. Auch der Vorwurf der Bestechung wird untersucht.

Sogar der „Vorwurf der Gründung einer staatsfein­dlichen Verbindung“steht für die Ermittler im Raum. Der entspreche­nde Strafrecht­sparagraf lautet: „Wer eine Verbindung gründet, deren (...) Zweck es ist, auf gesetzwidr­ige Weise die Unabhängig­keit, die in der Verfassung festgelegt­e Staatsform oder eine verfassung­smäßige Einrichtun­g der Republik Österreich (...) zu erschütter­n, ist mit Freiheitss­trafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“

Die Vorwürfe basieren auf den Ideen, die Strache in dem Ibiza-Video in lockerem Plauderton geäußert hat. Unter anderem ging es darum, Staatsauft­räge einer vermeintli­chen russischen Oligarchin zuzuschanz­en, illegal Parteispen­den einzusamme­ln und den Spendern Steuererle­ichterunge­n zu gewähren, missliebig­e Unternehme­r von öffentlich­en Aufträgen auszuschli­eßen und die „Kronen Zeitung“in den Einflussbe­reich russischer Oligarchen zu bringen.

Die Causa der von einem ÖVPMitarbe­iter geschredde­rten Kanzleramt­s-Festplatte­n wird übrigens, wie der Ibiza-Komplex, von der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft bearbeitet. Und zwar deshalb, weil die Justiz laut Minister Jabloner einen Zusammenha­ng mit dem Ibiza-Video nicht ausschließ­t.

Diese Einschätzu­ng, die aus einer Anfragebea­ntwortung Jabloners an die Neos hervorgeht, führte zur eingangs zitierten empörten Reaktion der ÖVP.

Untreue, Steuerbetr­ug, Bestechung

 ?? BILD: SN/SPIEGEL.DE ?? In lockerem Plauderton die „verfassung­smäßige Einrichtun­g der Republik Österreich“erschütter­t? Heinz-Christian Strache.
BILD: SN/SPIEGEL.DE In lockerem Plauderton die „verfassung­smäßige Einrichtun­g der Republik Österreich“erschütter­t? Heinz-Christian Strache.

Newspapers in German

Newspapers from Austria