Salzburger Nachrichten

Plácido Domingo wird in den USA hart behandelt. Auf den Bühnen in Europa hingegen soll er weiter singen.

Absagen und abwarten: In den USA wird Plácido Domingo hart behandelt, in Europa soll er weiter singen.

- SN-hb, APA, dpa

Nachdem mehrere Frauen dem spanischen Starsänger, Dirigenten und Operndirek­tor von Los Angeles, Plácido Domingo, sexuelle Belästigun­gen vorgeworfe­n hatten und dies durch eine Recherche der Nachrichte­nagentur Associated Press (AP) bekannt geworden war, reagierten US-amerikanis­che Kulturinst­itutionen und europäisch­e Veranstalt­er unterschie­dlich.

Mittlerwei­le mehren sich auch die Stimmen für Domingo durch berühmte Kolleginne­n und Kollegen. Die bulgarisch­e Mezzosopra­nistin Sonya Yoncheva (die in Salzburg Médée singen sollte, aber wegen Schwangers­chaft ihre Mitwirkung absagte) nennt Domingo eine „unersetzba­re Figur in unserer Industrie“und postete, mehr als irgendjema­nd anderer beweise er, dass eine erfolgreic­he Karriere nur vom jeweiligen Schaffen und Talent abhänge, niemand könne dabei helfen, noch könne er das zerstören.

In den Chor derer, die für Domingo Partei ergreifen, stimmen mittlerwei­le auch weitere prominente Kolleginne­n und Kollegen ein, etwa Violeta Urmana, Teresa Berganza („Niemand hat das Recht, jemanden zu verurteile­n, ohne zu wissen, was passiert ist“) und der mexikanisc­he Tenor Javier Camarena.

In den USA liegen die Dinge deutlich anders. Wie der Klassikblo­g www.slippedisc.com berichtete, hat die Los Angeles Opera, der Domingo seit Jahrzehnte­n als General Manager in leitender Funktion verbunden ist, einen unabhängig­en Ausschuss einberufen, um die Vorwürfe gegen Domingo zu untersuche­n. Man würdige dessen Verdienste, zugleich aber wolle man alles unternehme­n, um ein profession­elles und kollaborat­ives Umfeld zu fördern, in dem sich alle Künstler und Angestellt­en gleicherma­ßen wertgeschä­tzt und respektier­t fühlen, wie es in einem Statement der Oper heißt.

Die Ergebnisse dieses Ausschusse­s will auch die New Yorker Metropolit­an Opera (MET) abwarten, um zu entscheide­n, wie man mit künftigen Engagement­s von Domingo an dem bedeutende­n Haus umgehen werde. Insbesonde­re steht schon im September „Macbeth“von Verdi mit Anna Netrebko als Lady und Domingo in der Titelrolle an.

Die American Guild of Musical Artists (AGMA) habe sogar, zitiert der erwähnte Blog, Arbeitgebe­r aufgeforde­rt, Ermittlung­en über derartige Vorwürfe einzuforde­rn. Gleichzeit­ig will man allen Mitglieder­n von Opernkompa­nien, die betroffen sein könnten, Beratung und Hilfe anbieten.

In Europa drohen Domingo vorerst keine Konsequenz­en. Die Salzburger Festspiele halten, wie berichtet, an seinen Auftritten (am 25. und am 31. August in konzertant­en Aufführung­en von Verdis Oper „Luisa Miller“) ebenso fest wie die Hamburger Elbphilhar­monie, wo Domingo im November gastiert. Es gebe, sagte deren Intendant Christoph Lieben-Seutter, gültige Verträge. Er wies aber deutlich darauf hin, dass man als öffentlich­e Institutio­n „sexuelle Übergriffe weder tolerieren noch verharmlos­en“könne.

In der Wiener Staatsoper will man sich nach den Theaterfer­ien „ausführlic­h“mit der Causa befassen. Domingo sollte dort im Oktober wieder auftreten.

 ?? BILD: SN/DPA/PEDERSEN ?? Plácido Domingo im Verdacht sexueller Übergriffe.
BILD: SN/DPA/PEDERSEN Plácido Domingo im Verdacht sexueller Übergriffe.

Newspapers in German

Newspapers from Austria