Salzburger Nachrichten

Für heutige Demokraten war Napoleon zu viel Despot

Nur in seiner Heimat Korsika wird Frankreich­s einstigem Kaiser noch immer umfassende Verehrung zuteil.

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PARIS. War er ein skrupellos­er Tyrann oder ein genialer Feldherr? Ein machthungr­iger Diktator, der die Sklaverei wieder einführte, oder ein gesellscha­ftlicher Erneuerer? 250 Jahre nach seiner Geburt schwankt das Image von Napoleon Bonaparte noch immer zwischen Extremen. Er gehört zu den großen und verklärten Figuren der französisc­hen Geschichte – aber nicht zu den unumstritt­enen.

Außer wohl auf Korsika, wo er am 15. August 1769 geboren wurde – dort verehrt man den einstigen Kaiser umfassend. Seit Monaten wird dort der berühmtest­e Sohn der Insel gefeiert: Das Touristenb­üro in seiner Heimatstad­t Ajaccio organisier­t „napoleonis­che Tage“mit Nachstellu­ngen von Schlachten, Paraden und Ausstellun­gen. Auch das Fernsehen zeigt Dokumentar­filme über den Mann, der während der Französisc­hen Revolution in der Armee aufstieg und nach spektakulä­ren Feldzügen in Italien und Ägypten durch einen Staatsstre­ich 1799 die Macht in Frankreich übernahm. Bis 1804 stand er als Erster Konsul der Französisc­hen Republik und dieser später als Kaiser vor, er war zeitweise König von Italien, bis das Scheitern des Feldzuges gegen Russland und die Befreiungs­kriege zu seinem Sturz und dem Exil in St. Helena führten.

Sein Leben und Wirken eignen sich zur Erzählung einer Saga, doch ein Hype ist im Jubiläumsj­ahr nicht ausgebroch­en. Insgesamt sind bereits 75.000 Bücher über Napoleon veröffentl­icht worden. Die Zahl der Neuerschei­nungen in Frankreich bleibt überschaub­ar. Und sie wirken weniger polemisch als der 2014 erschienen­e Essay „Das napoleonis­che Übel“, in dem der ehemalige sozialisti­sche Premiermin­ister Lionel Jospin eine „desaströse Bilanz“zog: Napoleon sei ein Despot gewesen, der das Land im Inneren wie im Äußeren geschwächt habe. Positiver bewertete ihn der konservati­ve Ex-Premiermin­ister Dominique de Villepin. Dieser beschrieb in seinem Buch „Der Fall von Napoleon“einen Mann, der „ebenso groß im Ruhm wie im Fall“gewesen sei und ein Gespür für den richtigen Moment gezeigt habe: Die Sehnsucht der Franzosen nach Ordnung nach Jahren der Revolution und Terrorherr­schaft habe Bonaparte für sich zu nutzen gewusst. Fazit: Ein eindeutige­s Urteil verbiete sich. Die früher emotionale­r geführten Debatten versachlic­hten sich allmählich, sagt der Historiker Pierre Branda: „Heute gibt es weniger Fanatiker und weniger Gegner, was ein Zeichen dafür ist, dass Napoleon in die Geschichte eintritt.“Als unbestritt­en gelte dabei, dass er das moderne Frankreich geformt habe. Der 1804 von Napoleon eingeführt­e „Code Civil“, das Zivilgeset­zbuch, das auch zahlreiche andere Länder beeinfluss­te, schloss die Phase der Französisc­hen Revolution ab, übernahm aber Ideen daraus wie die Trennung von Kirche und Staat und die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Darüber hinaus legte Napoleon die Grundlagen für die heutige Staatsverw­altung, die Justiz, das Finanz- und Schulsyste­m.

Der Historiker­in Natalie Petiteau resümiert: Selbst wenn die aktuelle Geschichts­schreibung Napoleons diktatoris­che Facetten hervorhebe, bleibe seine Grabstätte im Invalidend­om in Paris eines der am meisten besuchten Monumente Frankreich­s.

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BILD: SN/STOCK.ADOBE/UOLIR Großer Napoleon.

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