Salzburger Nachrichten

Befangenhe­it ist keine Zier

- Pierre A. Wallnöfer Leonie Winkler (Cornelia Gröschel, r.) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) rekonstrui­eren gemeinsam den Tathergang. BILD: SN/MDR/W&B TELEVISION/DANIELA INCORONATO

Endlich ist sie vorbei, die Durststrec­ke ohne neue „Tatort“-Folgen. Nach dem Abschied von „Wetten, dass ..?“ist diese Reihe das letzte Ritual, das noch als familiäres Lagerfeuer funktionie­rt. Nach der Aufwärmrun­de mit einem neuen „Polizeiruf 110“in der Vorwoche kommt nun das Original in die Wohnzimmer. Allerdings gibt es keine Schonfrist. Der neue Fall aus Dresden ist zugleich der zweite Film mit Cornelia Gröschel als Partnerin von Karin Hanczewski (Karin Gorniak). Und Gröschels Kommissari­n Leonie Winkler schlägt sich wesentlich besser als zum Einstand, das sei vorab verraten.

Ihrem Chef Martin Brambach ist das völlig egal. Er kennt die Frau des soeben gemeldeten Mordopfers, eines Restaurant­leiters, der von sechs Schüssen getroffen in seinem Bürosessel zusammenge­sackt ist.

Handelt es sich um Schutzgeld­erpressung, um organisier­te Kriminalit­ät, einen Raub? Die Überwachun­gskameras entpuppen sich als Attrappen. Echt ist aber das Entsetzen der Ehefrau und ihrer beiden minderjähr­igen Kinder. Das glaubt jedenfalls Brambach, der sich wieder einmal in seiner Empörung schauspiel­erisch ausleben kann und beide Kolleginne­n in die Schranken weist.

Gorniak und Winkler wollen trotzdem in der Familie des Ermordeten nachforsch­en, zumal ein Überfall stattgefun­den hat, der mit dem Verbrechen zu tun haben könnte.

Es werden viele Spuren ausgelegt. Der Zuschauer ahnt, dass nichts so ist, wie es scheint. Und Winkler sagt folgericht­ig: „Irgendetwa­s stimmt nicht an dieser Geschichte.“

Je länger die Kamera bei den Buben bleibt, die ein Geheimnis wälzen, desto mehr verschiebt sich der Schwerpunk­t des Verdachts. Winkler, Tochter eines pensionier­ten Polizisten mit erstklassi­gem Ruf, macht Entdeckung­en, die weder ihr noch ihm recht sind. Auch Brambach gerät in die Defensive: Hat er sich gar vom Mordopfer abhängig gemacht?

Selbstvers­tändlich lassen Überraschu­ngen nicht auf sich warten. Es zeichnet sich ein Sittenbild ab, das womöglich dem 21. Jahrhunder­t entspricht. Cornelia Gröschel hat am Ende des Films ihre Figur vollends rehabiliti­ert und sogar bei ihrem Vater, der Polizeileg­ende, ordentlich Kante gezeigt.

Dieser solide Kriminalfi­lm lässt auf einen dynamische­n „Tatort“-Herbst hoffen. „Tatort: Nemesis“, Sonntag, 20.15, ORF 2/ARD.

Hat sich die Polizei vom Ermordeten abhängig gemacht?

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