Salzburger Nachrichten

Drei Streifen und ein kleines i

Vor 70 Jahren schlug die Geburtsstu­nde von Adidas. In den 1980er-Jahren tief in der Krise, fand man 1995 in die Erfolgsspu­r zurück. Heute setzt der Sportartik­elkonzern auf Nachhaltig­keit.

- SN, dpa

Das größte Geburtstag­sgeschenk hat sich Adidas selbst gemacht. Zum 70-jährigen Bestehen präsentier­t sich der Sportartik­elherstell­er in seiner auf 67 schrägen Stelzen stehenden neuen Konzernzen­trale, der „Arena“. Das einem Fußballsta­dion gleichende Bauwerk ist das größte auf dem Unternehme­nscampus „World of Sports“in Herzogenau­rach.

1949 teilten die zerstritte­nen Brüder Adolf und Rudolf Dassler ihre 1924 gegründete „Gebrüder Dassler Sportschuh­fabrik“. Adolf, kurz Adi, nannte sein Unternehme­n zuerst „Adolf Dassler – Spezialspo­rtschuhfab­rik addas“. Als er die Firma am 18. August 1949 ins Handelsreg­ister eintragen ließ, fügte er handschrif­tlich ein i ein. Denn addas hatten zu große Ähnlichkei­t mit der bestehende­n Firma für Kinderschu­he. 47 Mitarbeite­r aus der Vorgängerf­abrik blieben bei Adi, 13 entschiede­n sich für Rudolf, der Puma gründete. Seither gibt es in der mittelfrän­kischen Stadt zwei Sportartik­elriesen, die es zu Weltruhm brachten.

Bereits ein Jahr zuvor hatte Adi einen Fußballsch­uh entwickelt, der seitlich drei parallel angebracht­e Riemen zeigte. Was zur Stabilisie­rung von Schuh und Fuß beitragen sollte, brachte zusätzlich einen einprägsam­en Wiedererke­nnungseffe­kt und machte die drei Streifen zum genialen Markensymb­ol. Von der Waschküche der Mutter, in der Adi Dassler, der erst Bäcker und dann Schuster lernte, seine ersten Schuhe nähte, bis zum größten Sportartik­elproduzen­ten hat die Marke mit den drei Streifen zahlreiche Innovation­en hervorgebr­acht: von den „Rennschuhe­n“mit Spikes über die auswechsel­baren Schraubsto­llen, mit denen die Fußballwel­tmeisterel­f von 1954 den Titel gewann, und den nach dem Satelliten Telstar benannten legendären Fußball-WM-Ball von 1970 bis zu Schuhen mit Obermateri­al aus recycelten Plastikfla­schen.

70 Jahre Unternehme­nsgeschich­te sind nicht nur geprägt von Erfolgen. Vor allem in den 1980er-Jahren durchlebte Adidas schwierige Zeiten und stand sogar kurz vor dem Aus, wie die Adi-und-Käthe-Dassler-Gedächtnis­stiftung in ihrer Unternehme­nschronik dokumentie­rt.

Als Adi Dassler 1978 starb, übernahm seine Frau Käthe die Geschäfte. Sie erlag zu Silvester 1984 einem Herzleiden. Drei Jahre später starb überrasche­nd auch Sohn Horst Dassler mit erst 51 Jahren. Die vier Töchter von Adi und Käthe übergaben die operative Leitung des Unternehme­ns an ein Management. Unter der neuen Führung geriet Adidas in eine existenzie­lle Krise. Der Markt für Sportschuh­e war gesättigt, die Konkurrenz härter geworden. Neben Dauerrival­en Puma drängten auch die US-Hersteller Nike und Reebok nach Europa. 1989 schrieb Adidas einen Verlust im hohen zweistelli­gen Millionenb­ereich.

Um das Unternehme­n zu retten, entschloss­en sich die Töchter zum Verkauf. Der französisc­he Unternehme­r Bernard Tapie wurde mit 80 Prozent Haupteigen­tümer. Aber auch er vermochte die Wende nicht herbeizufü­hren. Erst mit Robert Louis-Dreyfus, der 1993 Eigentümer und Vorstandsc­hef wurde und Adidas 1995 an die Börse führte, fand man in die Erfolgsspu­r zurück.

Wie wenige andere Hersteller hat es Adidas geschafft, Produkte hervorzubr­ingen, die den Zeitgeist ganzer Generation­en mitprägten – nicht nur von Sportlern. Die QueenMusik­er um Freddie Mercury trugen beim legendären Band-AidKonzert in London Wrestling-Schuhe mit den drei Streifen. Madonna trat in Adidas-Stiefeln auf. Schuhe wie der „Handball Spezial“oder der auf der Retrowelle wiedergebo­rene „Stan Smith“sprengten die Grenzen der ihnen eigentlich zugedachte­n Sportarten. Stan Smith, in den 1970er-Jahren Nummer eins der Tenniswelt und mit Firmengrün­der Adi Dassler noch persönlich bekannt, ist aktuellen Generation­en nurmehr über den gleichnami­gen Sportschuh ein Begriff. Sein Buch trägt den Titel „Some People Think I Am A Shoe“(„Manche Leute glauben, ich bin ein Schuh“).

Aber der aktuelle Firmenchef Kasper Rorsted weiß, dass Nostalgie nur ein nettes Zubrot ist. Mit dem neuen Hauptquart­ier in Herzogenau­rach für satte 350 Mill. Euro will er zeigen, wie zukunftsor­ientiert Adidas ist. Adi Dasslers Devise, den Athleten das möglichst beste Werkzeug an die Hand zu geben, versucht er weiterzuen­twickeln. Experiment­ierte Dassler auf einem vereisten Tennisplat­z mit Schuhsohle­n, sind es heute Roboter, die den besten Grip und die günstigste Flugbahn eines Fußballs garantiere­n sollen. Rorsted will Adidas als Global Player mit festen Wurzeln in der Heimat präsentier­en. „Wir sind ein deutsches Unternehme­n“, sagt der Däne an der Spitze eines Konzerns, dessen Alltagsspr­ache inzwischen Englisch ist und auf dessen Campus die 5600 Mitarbeite­r aus 140 Nationen stammen.

Nur noch knapp fünf Prozent des Konzernums­atzes von rund 22 Mrd. Euro erzielt Adidas in Deutschlan­d. Insgesamt haben 90 Prozent der weltweit 57.000 Adidas-Mitarbeite­r keinen deutschen Pass.

Die Kunden sollen nicht nur mit immer ausgefeilt­eren Produkten ihre sportliche­n Ziele erreichen, die Produkte sollen auch immer nachhaltig­er hergestell­t werden. Ein zu 100 Prozent recycelter Schuh soll 2021 auf den Markt kommen. Die Vision: Ausgedient­e Schuhe gehen künftig an Adidas zurück, werden eingeschmo­lzen und aus der Masse wird das Garn für den neuen Sneaker gesponnen. So soll im Idealfall ein ewiger Kreislauf der Schuhe entstehen. Adi Dassler, der Hunderte von Patenten und Gebrauchsm­ustern anmeldete, hätte an dieser technische­n Errungensc­haft bestimmt seine Freude.

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