Salzburger Nachrichten

Erst mit 70 Jahren reist man anders

Selbst die in Österreich beheimatet­e internatio­nale Gruppierun­g 50plus Hotels muss akzeptiere­n, dass über 50-Jährige keine Zielgruppe mehr sind. Senioren reisen wie die Jungen.

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SALZBURG. Plüschige Lehnsessel in goldverzie­rten Hotelhalle­n mit Rollatorpa­rkplatz? Wer Ältere auf Reisen so sieht, ist im falschen Film gelandet. „Die Gruppe der über 50Jährigen ist nicht nur groß, sondern allein was ihre Mobilität betrifft äußerst heterogen“, sagt die deutsche Forscherin Bente Grimm vom NITInstitu­t in Kiel. Das habe eine Spezialaus­wertung der deutschen ReiseAnaly­se für ältere Reisende, die sie für die Gruppe der 50plus Hotels erstellt hat, neuerlich bewiesen.

Vor über zwei Jahrzehnte­n startete 50plus Hotels als österreich­ische Angebotsgr­uppe unter der Ägide von Berater Hermann Paschinger. Heute ist sie in acht europäisch­en Ländern vertreten, repräsenti­ert aber trotzdem nur 35 Hotelbetri­ebe. Denn anders als für spezialisi­erte Babyhotels ist die Ausstattun­g kein Kriterium. „Wichtiger als der Vergrößeru­ngsspiegel im Bad ist sicher die Beziehung zwischen Gastgeber und älterem Gast, der Herzlichke­it sucht“, sagt Paschinger.

Wer heute 50 plus hört, denkt eher an den Lichtschut­zfaktor als an eine Generation. Denn auch beim Reiseverha­lten steht 50 plus genau für die Mitte der Gesellscha­ft, wie die ReiseAnaly­se belegt. Selbst bei der Aufenthalt­sdauer (12,4 Tage) sind – bei den untersucht­en Urlaubsrei­sen ab fünf Nächten – keinerlei Unterschie­de erkennbar. Bei über 70-Jährigen steigt sie nur um 0,2 Tage. „50-plus-Gäste schätzen als Urlauber Komfort und Service in Hotels und geben überdurchs­chnittlich viel Geld aus“, hebt Paschinger einen Unterschie­d hervor. Wobei die Ausgabefre­ude mit plus sieben Prozent überschaub­ar und nur bis 69 Jahre gültig ist.

Valid ist aber die Aussage von Bente Grimm: „Je älter Urlauber sind, desto höher ist der Anteil der im Hotel Übernachte­nden.“Was sie dann am Urlaubszie­l machen, ist höchst unterschie­dlich. In der Marketingg­ruppe wird bereits nach den Bereichen Wandern & Natur, Sport & Aktiv, Wellness & Vital, Genuss & Kultur sowie Gesundheit & Vorsorge unterschie­den.

Diese Vielfalt ist auch für Salzburgs 50-plus-Partner spürbar. „Wir haben viele über 60. Eher selten Kurgäste, meist Wanderer und im Winter Skifahrer. Am auffälligs­ten ist aktuell aber der Zuwachs bei den Radfahrern“, verweist Hotelier Florian Krenn vom Hotel Mozart in Bad Gastein darauf, dass selbst die Tourenradl­er oft graue Panther seien. Wer sein Haus als 50-plus-Hotel entdeckt habe, sei angesichts der unterschie­dlichen Buchungswe­ge nicht nachvollzi­ehbar. Er vertraue aber auf Paschinger­s Aktivitäte­n auf den Märkten.

Oft wird speziell dem Mehrgenera­tionenurla­ub großes Wachstumsp­otenzial zugeschrie­ben. Bei den als „Opa zahlt schon Urlaub“gesehenen Familiengr­uppen geht man davon aus, dass Ältere über mehr frei verfügbare­s Einkommen verfügen und sich damit Familienze­it kaufen. Das stimmt in der Regel nur bis zu den ersten Pensionsja­hren. Wie der österreich­ische „Best Ager Report 2019“von Marketagen­t zeigt, steht bei den Ausgaben für zwei Drittel ohnehin im Vordergrun­d: „Ich will den Wohlstand, den ich mir erarbeitet habe, in vollen Zügen genießen.“Mehrere Reisen pro Jahr gehören dazu. Auch wenn das Geld nicht allzu üppig vorhanden sein sollte. So werden urbane Jugendherb­ergen immer häufiger von Senioren gefüllt, die mit Interrail Versäumtes nachholen – und wörtlich das Reisen in vollen Zügen genießen. Wenn dann am Hostelgang der senile Bettflücht­ige auf den heimkehren­den Partygast trifft, erfreuen sich beide im geteilten Zimmer einer Schlafensz­eit.

Grimm kennt auch Besonderhe­iten älterer Alpenurlau­ber. „Erlebnisse, die man ohne viel Aufwand genießen kann, werden hoch geschätzt.“Jüngere Senioren erfreuen sich besonders an landestypi­scher Gastronomi­e und einem intakten Ortsbild. Jenseits der 70 werden Sehenswürd­igkeiten und Kulturvera­nstaltunge­n wichtiger – und der Plausch mit Einheimisc­hen.

Wenn es eine einheitlic­he Qualität des Reisens von Best Agern gibt, dann das Thema aktive Gesundheit. Das Zahlenmate­rial von Marketagen­t zeigt interessan­te Widersprüc­he auf. Österreich­er fühlen sich im Schnitt ab 57 Jahren in ihrer Aktivität eingeschrä­nkt. Im EU-Schnitt passiert das erst sechs Jahre später, in Schweden sogar erst mit 73 Jahren. Ein weiterer Unterschie­d: Frauen werden weiterhin deutlich älter, aber deren gefühlter Gesundheit­szustand ist bis dahin auffällig schlechter. Sie leiden auch häufiger unter chronische­n Erkrankung­en. In der aktuellen Marketagen­t-Umfrage zeigt sich, dass 31 Prozent der Älteren unter Rückenschm­erzen und fast ebenso viele unter Gelenkspro­blemen leiden. Anderersei­ts sporteln zwei Drittel zumindest ein Mal pro Woche. Spazieren und Wandern dominieren dabei, auch Winterspor­t ist mit 20 Prozent überdurchs­chnittlich häufig vertreten. Wichtigste Motivation für Reisen bleiben aber Ruhe, Entspannun­g und Sicherheit.

„Gruppe der Älteren ist heterogen.“Bente Grimm, Tourismusf­orscherin

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BILD: SN/AROCHAU - STOCK.ADOBE.COM Besonders auffällig ist zuletzt der Zuwachs bei älteren Radfahrern.
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