Salzburger Nachrichten

Ö-Tube ist ein verspätete­s Widerstand­snest mit vielen Haken

Was für den ORF gut ist, muss nicht zwangsläuf­ig gut für Österreich sein. Vor allem nicht, wenn es die Marktdomin­anz verstärkt.

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Nun also Ö-Tube: Die VP packt im Wahlkampf aus, was sie als Regierungs­partei in der Schublade versenkt hat. Denn die von Gernot Blümel veranstalt­ete Medienenqu­ete, die sein Vorgänger Thomas Drozda nicht mehr zustande gebracht hatte, bewirkte in Sachen ORF auch nicht mehr als die Nullnummer des einstigen SP-Ministers. Dass dieser nun sogar als roter Geschäftsf­ührer den Vorschlag des türkisen Nachfolger­s gutheißt, ist ein positiver inhaltlich­er Ausnahmefa­ll im aktuellen Wahlkampf.

Der Vorstoß wirkt als Indiz dafür, dass die VP nun wirklich von einer neuerliche­n Koalition mit der FP abrückt. Denn mit ihr als Partner erscheint alles unmöglich, was dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunk hilft. Der jedoch hat mit dem in der Realisieru­ng bereits fortgeschr­ittenen ORF-Player schon eine Art Ö-Tube in der Hinterhand. Dabei handelt es sich um eine digitale Plattform mit vielfältig­en Anwendunge­n von der TVthek bis zu Social-MediaFunkt­ionen. Sie soll allen österreich­ischen Medienunte­rnehmen für ihre Inhalte und zur gemeinsame­n Vermarktun­g offenstehe­n. Das ist mit dem Etikett Ö-Tube eher vorstellba­r als unter dem Titel ORF-Player.

Die Sache hat aber mehr Haken als nur die enorme Verspätung eines solchen Widerstand­snestes gegen die globalen Riesen Facebook, Google & Co. Nicht von ungefähr beschränkt sich das Lob des Vorschlags auf die damit verbundene Verlängeru­ng des bisher auf sieben Tage limitierte­n Verbleibs von Sendungen in der TVthek sowie die Teilnahmee­inladung an private Anbieter. Für solche verschärfe­n sich die Nachteile im Wettbewerb durch eine Erweiterun­g der Präsenzfri­st für Beiträge mit öffentlich-rechtliche­r Finanzieru­ngsgrundla­ge. Während ORF-Videos dann mehr denn je frei verfügbar sind, können rein betriebswi­rtschaftli­ch organisier­te Anbieter ihre Informatio­n auch online zusehends bloß kostenpfli­chtig offerieren. Denn das analoge Geschäftsm­odell, das digitale Gratisange­bote lang mitgetrage­n hat, funktionie­rt nicht mehr.

Das wiederum führt unweigerli­ch zu einer noch stärkeren Dominanz des ORF in der Österreich-Informatio­n. In einem der höchstkonz­entrierten Medienmärk­te liegt er bei Internet, Radio und TV unangefoch­ten voran. Das mag aufgrund seiner gesetzlich festgeschr­iebenen Qualitätsp­flicht argumentie­rbar sein, verengt in der absehbaren Form jedoch den Blick auf die Republik. Wer Ö-Tube sagt, muss also auch Rundfunkge­bühr sagen. Dabei geht es nicht im FP-Sinn um ihre Abschaffun­g, sondern um die Frage, wer was warum davon kriegt.

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Peter Plaikner

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