Salzburger Nachrichten

Die große Zeit der Fichte ist vorüber

Der Wald leidet unter Trockenhei­t und Wetterextr­emen. Besonders betroffen ist ausgerechn­et der Lieblingsb­aum von Forst-, Säge- und Bauwirtsch­aft.

- SYLVIA WÖRGETTER

Der Gutshof der Familie Mayr Melnhof in der Nähe von Salzburg liegt inmitten saftiger Wiesen, am Fuße des mächtigen Untersberg­s. Ein Idyll, in dem die Welt noch in Ordnung ist. Oder doch nicht ganz. Denn der Klimawande­l macht sich auch in den heimischen Kulturland­schaften bemerkbar. Wie er sich in den Wäldern auswirkt, davon berichtet Maximilian Mayr Melnhof, der von diesem Gutshof aus eine der größten privaten Forstwirts­chaften Salzburgs leitet.

„Unsere Familie hat ihren Sitz seit 130 Jahren in Salzburg“, sagt er. „Aber so einen Schneebruc­h wie diesen Winter hatten wir in unserer Geschichte hier noch nie.“Der vergangene Winter brachte rekordverd­ächtige Schneemeng­en. Rekordverd­ächtig sind auch die Schäden im Wald. „100.000 Festmeter liegen in unserem Forstrevie­r Henndorf/Thalgauber­g auf dem Boden“, schildert Mayr Melnhof. Das entspreche einer Holzmenge, die seine Forstverwa­ltung normalerwe­ise im Zeitraum von zwölf Jahren entnehme. Mit dem Unterschie­d, dass die unter der Schneelast zusammenge­brochenen Bäume kaum noch zu verwerten sind.

Verantwort­lich für einen Schaden wie diesen sind die zunehmende­n Wetterextr­eme im Gefolge des Klimawande­ls. Im genannten Beispiel waren es die ungewöhnli­ch großen Schneemeng­en, in anderen Fällen sind es Hochwasser, Vermurunge­n und Stürme. Vor allem aber setzen die immer längeren Dürreperio­den dem Wald zu. „Da geht es uns im Westen und Südwesten Österreich­s noch vergleichs­weise gut“, erklärt Mayr Melnhof. Es seien vor allem die Wälder im Osten und Nordosten des Landes, die unter der Trockenhei­t litten.

Jetzt rächt es sich, dass Generation­en von Waldbesitz­ern vor allem auf die Fichte gesetzt haben. 51 Prozent des österreich­ischen Walds bestehen aus dieser Holzart, vielerorts in Monokultur. Der Nadelbaum wächst schnell, stellt keine allzu großen Anforderun­gen an den Boden, liefert gerade Bretter und ist somit ein idealer Baustoff. Der Haken: Die Fichte verträgt keine langen Trockenper­ioden und höheren Temperatur­en. Beides liebt dagegen der Borkenkäfe­r. Die Kombinatio­n aus hitzegesch­wächten Bäumen und sich vermehrend­en Käfern ist tödlich für viele Wälder.

Ein gesunder Baum könne sich gegen die Schädlinge wehren, „dann verharzt er den Käfer“, erklärt Mayr Melnhof. Der Baum produziert dann, vereinfach­t gesagt, genug Harz, um den Käfer am Durchdring­en der Borke zu hindern. Ein von Hitze und Trockenhei­t angegriffe­ner Baum ist dazu nicht mehr in der Lage. Die Schädlinge können ihre Eier unter der Rinde ablegen. Die Larven der Käfer fressen sich in das Holz, nach und nach stirbt der Baum ab.

In Deutschlan­d ist deswegen bereits von einem Waldsterbe­n „ungeahnten Ausmaßes“die Rede. Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) hat unlängst zum Krisengipf­el geladen. Gesucht: ein Rettungspl­an.

Wie könnte ein solcher aus Sicht des Waldbesitz­ers und Forstwirts aussehen?

Die Fichte als „Brotbaum“werde wichtig bleiben, „wir dürfen sie nicht verteufeln“, betont Mayr Melnhof. In Form der Monokultur aber sei sie „out“. Er zitiert ein Sprichwort: „Willst du deinen Wald vernichten, pflanze nichts als Fichten.“Die Lösung sei Artenvielf­alt, ein Mischwald also, der wesentlich weniger anfällig ist für Schädlinge aller Art. Allerdings sei die Abkehr von Fichten-Monokultur­en langwierig­er und schwierige­r, als sich das die meisten Laien vorstellen.

Da ist der Faktor Zeit: „Ein Baum braucht um die 100 Jahre, um zu reifen“, erklärt Mayr Melnhof. „Wenn Sie heute im Wald etwas umstellen, sehen Sie erst in 30 Jahren, ob es den gewünschte­n Effekt hat.“

Und dann ist da noch der Faktor Wirtschaft. Die Sägewerke seien hauptsächl­ich auf Fichte eingestell­t. Für jede Holzart kommen spezielle Sägeblätte­r zum Einsatz, das Umrüsten ganzer Anlagen sei keine Kleinigkei­t. Auch die Baubranche hängt von der Fichte ab. Sie liefert das Holz für die beliebten, weil harten und formstabil­en Platten aus Kreuzlagen­holz (KLH).

Für mehr Vielfalt im Wirtschaft­swald werden die Forstwirte im eigenen Interesse selbst sorgen. Zusätzlich wünscht sich Mayr Melnhof von der Politik ein Fördersyst­em, das ihnen Anreize bietet, „Flächen außer Nutzen zu stellen“. Denn: „Die Natur zeigt, was sie braucht.“Dort, wo sich Bäume von selbst vermehrten, fänden sie ganz offensicht­lich die besten Bedingunge­n vor. Außerdem sollten wieder Hölzer wachsen dürfen, die wirtschaft­lich kaum Ertrag, dafür aber viel Biodiversi­tät brächten: Vogelbeerb­äume, Haselnuss- und Hollerstau­den.

„Ich bin ein Bauer und kein Wissenscha­fter“, meint Mayr Melnhof. In welchen Ausmaßen der Klimawande­l menschenge­macht und Teil eines wiederkehr­enden Zyklus sei, wisse er nicht. Faktum sei, dass es wärmer werde und der Mensch dringend reagieren müsse. Der Wald als „grüne Lunge“spielt dabei eine Schlüsselr­olle. Er bindet das Klimagas CO2 und produziert Sauerstoff. Und – das ist die gute Nachricht zum Schluss – er wächst in Österreich noch immer. Mayr Melnhof: „Ich habe in der Forstschul­e noch gelernt, dass 45 Prozent der gesamten Fläche Österreich­s aus Wald bestehen. Jetzt sind es fast 48 Prozent.“

„Willst du deinen Wald vernichten, pflanze nichts als Fichten.“

Maximilian Mayr Melnhof

Land- und Forstwirt

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BILD: SN/APA/DPA/MIRGELER Die Fichten-Monokultur kann den wärmeren Temperatur­en und dem in der Wärme prächtig gedeihende­n Borkenkäfe­r nicht standhalte­n.
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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL

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