Die große Zeit der Fichte ist vorüber
Der Wald leidet unter Trockenheit und Wetterextremen. Besonders betroffen ist ausgerechnet der Lieblingsbaum von Forst-, Säge- und Bauwirtschaft.
Der Gutshof der Familie Mayr Melnhof in der Nähe von Salzburg liegt inmitten saftiger Wiesen, am Fuße des mächtigen Untersbergs. Ein Idyll, in dem die Welt noch in Ordnung ist. Oder doch nicht ganz. Denn der Klimawandel macht sich auch in den heimischen Kulturlandschaften bemerkbar. Wie er sich in den Wäldern auswirkt, davon berichtet Maximilian Mayr Melnhof, der von diesem Gutshof aus eine der größten privaten Forstwirtschaften Salzburgs leitet.
„Unsere Familie hat ihren Sitz seit 130 Jahren in Salzburg“, sagt er. „Aber so einen Schneebruch wie diesen Winter hatten wir in unserer Geschichte hier noch nie.“Der vergangene Winter brachte rekordverdächtige Schneemengen. Rekordverdächtig sind auch die Schäden im Wald. „100.000 Festmeter liegen in unserem Forstrevier Henndorf/Thalgauberg auf dem Boden“, schildert Mayr Melnhof. Das entspreche einer Holzmenge, die seine Forstverwaltung normalerweise im Zeitraum von zwölf Jahren entnehme. Mit dem Unterschied, dass die unter der Schneelast zusammengebrochenen Bäume kaum noch zu verwerten sind.
Verantwortlich für einen Schaden wie diesen sind die zunehmenden Wetterextreme im Gefolge des Klimawandels. Im genannten Beispiel waren es die ungewöhnlich großen Schneemengen, in anderen Fällen sind es Hochwasser, Vermurungen und Stürme. Vor allem aber setzen die immer längeren Dürreperioden dem Wald zu. „Da geht es uns im Westen und Südwesten Österreichs noch vergleichsweise gut“, erklärt Mayr Melnhof. Es seien vor allem die Wälder im Osten und Nordosten des Landes, die unter der Trockenheit litten.
Jetzt rächt es sich, dass Generationen von Waldbesitzern vor allem auf die Fichte gesetzt haben. 51 Prozent des österreichischen Walds bestehen aus dieser Holzart, vielerorts in Monokultur. Der Nadelbaum wächst schnell, stellt keine allzu großen Anforderungen an den Boden, liefert gerade Bretter und ist somit ein idealer Baustoff. Der Haken: Die Fichte verträgt keine langen Trockenperioden und höheren Temperaturen. Beides liebt dagegen der Borkenkäfer. Die Kombination aus hitzegeschwächten Bäumen und sich vermehrenden Käfern ist tödlich für viele Wälder.
Ein gesunder Baum könne sich gegen die Schädlinge wehren, „dann verharzt er den Käfer“, erklärt Mayr Melnhof. Der Baum produziert dann, vereinfacht gesagt, genug Harz, um den Käfer am Durchdringen der Borke zu hindern. Ein von Hitze und Trockenheit angegriffener Baum ist dazu nicht mehr in der Lage. Die Schädlinge können ihre Eier unter der Rinde ablegen. Die Larven der Käfer fressen sich in das Holz, nach und nach stirbt der Baum ab.
In Deutschland ist deswegen bereits von einem Waldsterben „ungeahnten Ausmaßes“die Rede. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat unlängst zum Krisengipfel geladen. Gesucht: ein Rettungsplan.
Wie könnte ein solcher aus Sicht des Waldbesitzers und Forstwirts aussehen?
Die Fichte als „Brotbaum“werde wichtig bleiben, „wir dürfen sie nicht verteufeln“, betont Mayr Melnhof. In Form der Monokultur aber sei sie „out“. Er zitiert ein Sprichwort: „Willst du deinen Wald vernichten, pflanze nichts als Fichten.“Die Lösung sei Artenvielfalt, ein Mischwald also, der wesentlich weniger anfällig ist für Schädlinge aller Art. Allerdings sei die Abkehr von Fichten-Monokulturen langwieriger und schwieriger, als sich das die meisten Laien vorstellen.
Da ist der Faktor Zeit: „Ein Baum braucht um die 100 Jahre, um zu reifen“, erklärt Mayr Melnhof. „Wenn Sie heute im Wald etwas umstellen, sehen Sie erst in 30 Jahren, ob es den gewünschten Effekt hat.“
Und dann ist da noch der Faktor Wirtschaft. Die Sägewerke seien hauptsächlich auf Fichte eingestellt. Für jede Holzart kommen spezielle Sägeblätter zum Einsatz, das Umrüsten ganzer Anlagen sei keine Kleinigkeit. Auch die Baubranche hängt von der Fichte ab. Sie liefert das Holz für die beliebten, weil harten und formstabilen Platten aus Kreuzlagenholz (KLH).
Für mehr Vielfalt im Wirtschaftswald werden die Forstwirte im eigenen Interesse selbst sorgen. Zusätzlich wünscht sich Mayr Melnhof von der Politik ein Fördersystem, das ihnen Anreize bietet, „Flächen außer Nutzen zu stellen“. Denn: „Die Natur zeigt, was sie braucht.“Dort, wo sich Bäume von selbst vermehrten, fänden sie ganz offensichtlich die besten Bedingungen vor. Außerdem sollten wieder Hölzer wachsen dürfen, die wirtschaftlich kaum Ertrag, dafür aber viel Biodiversität brächten: Vogelbeerbäume, Haselnuss- und Hollerstauden.
„Ich bin ein Bauer und kein Wissenschafter“, meint Mayr Melnhof. In welchen Ausmaßen der Klimawandel menschengemacht und Teil eines wiederkehrenden Zyklus sei, wisse er nicht. Faktum sei, dass es wärmer werde und der Mensch dringend reagieren müsse. Der Wald als „grüne Lunge“spielt dabei eine Schlüsselrolle. Er bindet das Klimagas CO2 und produziert Sauerstoff. Und – das ist die gute Nachricht zum Schluss – er wächst in Österreich noch immer. Mayr Melnhof: „Ich habe in der Forstschule noch gelernt, dass 45 Prozent der gesamten Fläche Österreichs aus Wald bestehen. Jetzt sind es fast 48 Prozent.“
„Willst du deinen Wald vernichten, pflanze nichts als Fichten.“
Maximilian Mayr Melnhof
Land- und Forstwirt