Sittlichkeitswächter in Genf
Das Wirken des Reformators Jean Calvin
Theologe war Jean Calvin (1509–1564) keiner: Auf Drängen des Vaters hatte er nach seinem Grundstudium an der Pariser Universität in Bourges und Orléans die Rechte studiert. Als Jurist, so der väterliche Rat, könnte man weit mehr verdienen denn als Geistlicher. Calvin wandte sich dem Humanismus zu und begeisterte sich für die Ideen der Reformation. Er betrachtete sich selbst als Herold und Diener des Evangeliums, doch die neue Lehre Luthers stieß sowohl bei der katholischen Kirche wie auch am französischen Königshof auf Misstrauen und Calvin musste aus Frankreich fliehen. Sein Weg führte ihn u. a. nach Italien, Basel und Straßburg, bevor Genf zur berühmten Stadt des Calvinismus wurde.
Er schwor auf rigide Kirchenzucht und errichtete geradezu eine „Tyrannei der Tugend“(Volker Reinhardt): Weltliches Vergnügen wie Tanz, Gesang und Glücksspiel wurde verboten, Unzucht streng geahndet und Ehebruch gar mit dem Tod bestraft. Nachbarn wurden zur gegenseitigen Denunziation aufgerufen, die Angehörigen des Konsistoriums (Kirchengerichts) fungierten als Sittlichkeitswächter. Ein Mal jährlich sollte jeder Haushalt visitiert, alle Personen sollten auf ihren Glauben hin überprüft werden. Gute Christen wählten für ihre Kinder biblische Namen. Was für eine Überraschung war es 1546 für den Barbier Ami Chappuis, der seinen Sohn auf den Namen Claude taufen lassen wollte, als er vom Geistlichen einen Abraham zurückbekam! Gegen die von Pastoren erstellte Liste verbotener Namen regte sich aber Widerstand bis hin zur Taufverweigerung. Alexandra Bleyer