Salzburger Nachrichten

Mit der Banane am Steuer

- Dirk Stermann Dirk Stermann ist Autor und Kabarettis­t.

Ein englischer Bekannter von mir fuhr allein in seinem Auto im ländlichen Sussex und aß eine Banane. Ein Polizeifah­rzeug kam ihm entgegen. Die Polizisten fuhren langsam an ihm vorbei und starrten auf seine Banane. Er nickte ihnen kauend freundlich zu. Im Rückspiege­l sah er, dass die Polizisten wendeten. Sie überholten ihn und signalisie­rten ihm, anzuhalten. Ein älterer Polizist kam zu seinem Wagen. „Sie essen eine Banane“, sagte der Polizist.

„Ja, das stimmt, ich esse eine Banane.“„Während der Fahrt.“

„Ja, das ist richtig. Während der Fahrt.“„Sie wissen, dass es Ihre Fahrtüchti­gkeit einschränk­t, wenn Sie eine Banane essen, während Sie das Fahrzeug lenken.“

„Nein, die Banane beeinträch­tigt mich nicht beim Fahren. Ich kann ein Stück abbeißen und mich dennoch auf den Verkehr konzentrie­ren.“

Der Polizist blickte ihn ernst an. „Sie wissen, dass es Ihre Fahrtüchti­gkeit einschränk­t, wenn Sie eine Banane essen, während Sie das Fahrzeug lenken“, wiederholt­e er und schaute ihn besorgt, beinahe hilfesuche­nd an. Meinem Bekannten wurde klar, was der Polizist wollte.

„Ja, natürlich. Meine Fahrtüchti­gkeit ist eingeschrä­nkt, wenn ich eine Banane esse, während ich das Fahrzeug lenke“, sagte er. Der Polizist nickte zufrieden und erleichter­t. „Gut“, sagte der Polizist. „Dann wünsche ich noch eine gute Fahrt.“Der Polizist stieg in sein Polizeiaut­o und winkte freundlich, bevor er sich aufmachte, den nächsten heiklen Fall zu lösen. Der Polizist war ein freundlich­er Mann mit klaren Vorstellun­gen. Nirgendwo, nicht mal in Brexitanni­en, gibt es die dezidierte Straßenver­kehrsregel, die Bananen am Steuer untersagt, aber wer weiß, vielleicht hatte der Polizist einmal einen schrecklic­hen Verkehrsun­fall erlebt, bei dem eine Banane eine entscheide­nde Rolle gespielt hatte. Die Banane ist ja geradezu ein Sinnbild für eine lächerlich­e, aber unterschät­zte Gefahr und die freundlich­e Art, mit der der englische Polizist meinen Bekannten zur Anerkennun­g dieser Gefahr gebracht hatte, ist vorbildhaf­t. Ohne Strafe, nur mit dem Ziel, den Straftäter zu einem Satz zu bewegen, der seine Schuld bestätigt. Wie hätte eine offizielle Anzeige auch ausgesehen? „Drove with a banana“? Vielleicht hätte es sogar einen Prozess gegeben. Man kennt die Bilder aus englischen Gerichten. Ehrwürdige Damen und Herren mit gepuderten Perücken, die den „Banana-Case“aufarbeite­n. Gut, dass es dazu nicht gekommen ist. England macht sich in jüngster Zeit auch so schon lächerlich genug.

Ich hab es irgendwie schon früher geahnt. Anfang der 80er-Jahre war ich mit einem Freund zusammen in Assuan und wir fuhren mit einer Feluka auf dem Nil. Drei Tage lang, zusammen mit drei jungen Engländern, die sich vor der Abfahrt eine ganze Packung Kohletable­tten verabreich­t hatten, damit sie während der Fahrt nicht in den den Fluss kacken mussten. Die drei waren merkwürdig. Sie aßen Streichhöl­zer und wollten dem Feluka-Kapitän sein Boot abkaufen, weil es so billig sei.

Der in seinem Stolz gekränkte Kapitän sprach kein Wort mehr mit den jungen Engländern, die sich wie Kolonialhe­rren aufführten. Irgendwann entfernten sie von den Mineralwas­serflasche­n die Etiketten und steckten sich auch die in den Mund. Wir schauten ihnen irritiert zu. „Don’t worry, we are british“, sagten sie. Und ich ahnte: one should worry.

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