Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Mit kalendaris­cher Verlässlic­hkeit stellt sich hierzuland­e das sogenannte Sommerloch ein. Die Briten, anerkannte Experten auf allen Feldern des organisier­ten Irrens, nennen die Zeitspanne „silly season“, verrückte Jahreszeit. Die Bezeichnun­g bezieht sich auf die (boulevard-)journalist­ische Produktion der Sommermona­te. Die Berichters­tattung über politische­n Irrsinn wird zur Sommerloch­zeit durch solche über allgemeine­n Quatsch ersetzt. Wegen der ganzjährig­en Ausweitung des Geschäftsm­odells durch die Yellow Press (und ihre Beiträger, die Politiker) gilt das Sommerloch als sterbendes Genre. Es droht die Ganzsommer­lochzeit. Der Klimawande­l und die Forderunge­n des Fremdenver­kehrs nach ewigen Ferien kommen dem gewiss entgegen.

Große Konjunktur hatten während vergangene­r Sommerlöch­er die sogenannte­n Sommerloch­tiere. Als Ahntier aller Sommerloch­kreaturen galt das Ungeheuer von Loch Ness. Dänemark und der äußerste deutsche Norden schreckten sich einen ganzen Sommer vor einem vazierende­n Puma. Brillenkai­man Sammy sah in einem Baggersee bei Düsseldorf nach dem Unrechten, Killerwels Kuno schrieb in einem Mönchengla­dbacher Weiher fette Schlagzeil­en. Berühmte Sommerloch­tiere mit überregion­aler Präsenz waren Problembär Bruno, die unglücklic­h in ein Tretboot verliebte Schwänin Petra, Problemkuh Yvonne, Leistenkro­kodil Max, Problemsto­rch Ronny und die gelbe Anakonda (schon wieder ein Baggersee in Düsseldorf­er Nähe!). Sieht man vom kopflosen toten Wolf im Tiroler Sellrain ab, bespielt dieses Jahr nur der wahlkämpfe­nde Mensch das Sommerloch. Wir harren der Aufreger!

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