Salzburger Nachrichten

Weißer Riese

Eine Woche Camping in Dalmatien mit dem VW Grand California 600. Der große Bruder des legendären Reise-Bullis im Praxistest.

- FLORIAN T. MRAZEK

Campingplä­tze sind eine eigene kleine Welt für sich. Auf überschaub­arem Raum findet man hier einen

ziemlich repräsenta­tiven Querschnit­t der Bevölkerun­g versammelt. Das gilt auch für den malerische­n Campingpla­tz Adriasol im kroatische­n Ort Novigrad nördlich von Zadar: Von Zeltpurist­en und Verpackung­skünstlern im Citroën 2CV über stilsicher­e Bulli-Besitzer bis hin zu Anhängern der luxuriöses­ten Form des Biwakieren­s (Stichwort „Glamping“) mit ihren rollenden Festungen ist hier alles vertreten. Mittendrin: ein nagelneuer, weiß-beiger VW Crafter, der von Anfang an neugierige Blicke auf sich zieht.

Bereits im Vorjahr präsentier­te Volkswagen auf dem Caravan Salon in Düsseldorf die Reisemobil­Studie California XXL – sozusagen den großen Bruder des weltweit 175.000 Mal verkauften VW T6 California. Die Erwartunge­n an den Neuen waren dementspre­chend groß. Ab kommendem Herbst ist der Camper auf Crafter-Basis nun als Grand California zu haben. Das Konzept ist durchaus schlüssig: Auf einer Grundfläch­e von sechs mal zwei Metern bietet die XXLVersion alles, was man vom normalen California gewohnt war – inklusive einer 82 mal 82 Zentimeter großen Nasszelle mit Dusche, Klappwasch­becken, Toilette und einigen Schränken. In der Theorie kann man sich damit uneingesch­ränkt dem Fernweh hingeben, also völlig unabhängig von öffentlich­en Toiletten und Duschen die Welt erkunden. In der Praxis hat die grenzenlos­e Freiheit natürlich gewisse Hürden. Zwar bietet der Grand California durchaus Platz für bis zu zwei Erwachsene und zwei Kinder. Aufgrund der vergleichs­weise geringen Fahrzeugbr­eite von zwei Metern ist der große California allerdings trotzdem mehr VW Bus als ein ausgewachs­enes, extra dafür konstruier­tes Wohnmobil. Es ist also vor allem eine Frage des eigenen Anspruchs, ob man mit dem Grand California glücklich wird. Wie heißt es so schön: Camping ist immer ein Kompromiss.

Auf der Habenseite des Grand California steht auf jeden Fall der moderne, freundlich­e Innenraum mit den samtweißen, leicht zu reinigende­n Einbauten, dem strapazier­fähigen Boden in Schiffsdie­lenoptik und vielen cleveren Detaillösu­ngen. Die Kochzeile mit dem 70-Liter-Kühlschran­k und dem zweiflammi­gen Gasherd ist von innen und außen gleicherma­ßen gut zu erreichen. Dimmbare LEDs, sechs USB-Anschlüsse für Smartphone­s und vier Steckdosen finden sich über den ganzen Innenraum verteilt. Eine Klimaanlag­e ist für den Grand California ebenso optional verfügbar wie eine GasElektro­heizung. Geschlafen wird auf einem 1,93 mal 1,36 Meter großen Bett über dem 800 Liter großen Stauraum im Heck, das selbst bei einer Körpergröß­e von 1,90 Metern ausreichen­d Komfort bietet. Bei der längeren Version 680 sind Bett und Gepäckraum deutlich größer, dafür bietet der getestete 600er ein zusätzlich­es Bett unter dem GFK-Hochdach, das mit einer Länge von 1,60 Metern aber nur für Kinder empfehlens­wert ist. Ist der Nachwuchs erst einmal ins Hochbett geklettert, bleibt die Frage: Wohin mit der Leiter? Diese versperrt im ausgeklapp­ten Zustand den Weg vom elterliche­n Bett zur Dinette. Und auch der Klapptisch ist nur dann wirklich praktisch, wenn man beide Vordersitz­e vollständi­g nach hinten dreht. Die hochwertig­en Ablagefäch­er rund um das große Bett erinnern ein wenig an die Gepäckabla­ge im Flugzeug: Sie sind ziemlich schnell voll. Dafür bietet eine 30 Zentimeter lange Kleidersta­nge zusätzlich­en Platz für Hemden und Hosen. Ebenfalls praktisch sind die herausnehm­baren Abtrennung­en zum Kofferraum: So lassen sich lange Gegenständ­e transporti­eren.

Die größte Stärke des Grand California ist gleichzeit­ig auch sein größtes Manko: Die technisch ausgereift­e Crafter-Basis sorgt für ein hervorrage­ndes Fahrgefühl, setzt allerdings in puncto Platzverhä­ltnisse nachvollzi­ehbare Grenzen. Der Vierzylind­er-Diesel mit 177 PS harmoniert perfekt mit der serienmäßi­gen Achtgang-Automatik. Bei längeren Autobahnet­appen sorgen Tempomat und der Spurhaltea­ssistent Lane Assist für gehobenen Fahrkomfor­t, sodass man schon nach wenigen Kilometern vergisst, wie groß der Grand California eigentlich ist. Nur auf der hinteren Zweierbank ist der Sitzkomfor­t aufgrund der Nähe zur Nasszelle eingeschrä­nkt. Die Preise für den Grand California beginnen bei 69.517 Euro, das Testfahrze­ug kommt auf 96.405,16 Euro.

 ?? BILDER: SN/MRAZEK (3) ?? Der Grand California hat das Potenzial, eine neue Kundenschi­cht für VW zu gewinnen.
BILDER: SN/MRAZEK (3) Der Grand California hat das Potenzial, eine neue Kundenschi­cht für VW zu gewinnen.
 ??  ?? Campingurl­aub mit Meerblick: Der VW Grand California residierte eine Woche lang in Kroatien.
Campingurl­aub mit Meerblick: Der VW Grand California residierte eine Woche lang in Kroatien.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria