Welchen Tourismus wollen wir?
Wenn immer neue Rekordzahlen zum Problem werden: Die Politik wirkt überfordert bis planlos. Dabei gäbe es sinnvolle Wege aus der Überfüllung.
Ist die Salzburger Altstadt für Sie noch ein beliebtes Ausflugsziel für einen Einkaufsbummel, für einige Stunden zum Flanieren? Oder haben Sie das aufgegeben, weil die Staus in die Stadt, die Suche nach einem Parkplatz und die Touristenmassen schon nerven?
Zugegeben: Die Frage steht schon lange im Raum. Doch diesen Sommer stellt sie sich mit einer neuartigen Wucht. Nicht nur die aufgeheizten Debatten über die Grenzen des Massentourismus haben die Sensibilität erhöht. Der Umstand, dass die Touristen immer mehr werden, ist ein Faktum: Die Nächtigungen haben in der Stadt die DreiMillionen-Grenze überschritten. Und die Zahl der Tagestouristen wächst unaufhörlich. Dass es dazu nur Schätzungen gibt, ist bezeichnend. Sieben Millionen? Oder schon neun oder zehn? Es bleibt nur der Trost, dass es in Venedig noch drei Mal so viele sind.
Längst stellen sich viel grundsätzlichere Fragen: Ist die Mozartstadt dabei, ihre hohe Lebensqualität zu untergraben? Vergrault sie Einheimische, aber auch kaufkräftige Kundschaft aus dem Umland? Weil der Ansturm zu groß, die Authentizität verloren, die Jugend(lichkeit) vertrieben und die politische Führung überfordert ist?
Die Versäumnisse der Vergangenheit fallen der Stadtpolitik jetzt auf den Kopf. Dass die Verkehrsmisere nie gründlich korrigiert wurde. Dass man dem Ansturm speziell im Sommer zu lange tatenlos zugeschaut hat. Die verheerenden Auswirkungen der Grenzstaus am Walserberg brachte das Land heuer mit rigorosen Maßnahmen und Abfahrtssperren unter Kontrolle. Es braucht in der Stadt natürlich andere Instrumente. Aber warum nicht auch konsequent handeln?
Jetzt ist die Stadtführung mit einer bunten Gemengelage unterschiedlichster Interessen konfrontiert. Da sind Bewohner der Altstadt, die ihre (persönliche) Ruhe wiederhaben wollen. Da sind Geschäftsleute, die um ihre (persönlichen) Umsätze bangen. Und da sind immer mehr Salzburger, die ihr Zentrum und dessen barocke Schönheit wieder stärker für sich reklamieren. Gäste wie Einheimische eint immer weniger, aber eines ganz sicher: Diese Stadt wird derart gesucht, weil sie einzigartig und wunderbar ist. Dass Stadt und Land vom Tourismus prächtig leben, ist auch so ein Faktum, dass in hitzigen Debatten gern übersehen wird. Doch die Balance zwischen Gewinnern und Verlierern beginnt zu kippen. Was die Politik nun zum Handeln zwingt.
Der neue Bürgermeister Harald Preuner hat das verstanden. Doch Preuner ist nicht der Mann der großen Entwürfe. Er ist ein Pragmatiker, ein Mann der kleinen Schritte. Der neue Busshuttle vom Messegelände in die Altstadt, der nicht einmal gratis ist, ist so ein kleiner Schritt. Ein guter Anfang, aber nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es fehlt an intelligenten Verkehrsleitsystemen, an den nötigen Kapazitäten, auch am nötigen Druck, die Touristen in ihren Autos am Stadtrand tatsächlich abzufangen – und mit Öffis in kurzen Takten in die Stadt zu bringen. Auch die sanfte Erhöhung der Gebühr für Reisebusse auf 50 Euro ist so ein kleiner Schritt. Vermutlich wären 100 oder 200 Euro nötig.
Auch Preuners jüngste Ansage, die Veranstaltungen auf dem Residenzplatz zu begrenzen, wirft Fragen auf. Denn jede Veranstaltung musste schon bisher von der Stadt genehmigt werden. Egal ob es sich um den Christkindlmarkt, einen Laufevent, eine Geschicklichkeits-WM für Biker oder das Gaisbergrennen handelt. Bei Letzterem sitzt der Stadtchef selbst immer wieder am Steuer eines Oldtimers. Ein Detail, das die Dialektik des Problems offenbart. Nicht nur beim Stadtchef, sondern letztlich bei uns allen.
Sicher ist: Mit Horuck-Aktionen ist nichts zu gewinnen. Die Stadt, wie übrigens das Land, wo Landeshauptmann Wilfried Haslauer zuständig ist, muss klar sagen, welche Art von Tourismus sie will. Und die ewige Phrase von „Qualität statt Masse“endlich mit Maßnahmen durchsetzen. Manche wird wohl irgendwem wehtun müssen. Sich davor zu drücken ist aber keine Strategie. Ähnlich fatal ist, all das im stillen Kämmerlein auszubrüten. Neben Wirtschaft, Touristik, Verbänden gehören auch die Bürger an den Tisch. Nur gemeinsam und mit Plan ist gegen Planlosigkeit und Überforderung anzukommen. Es lohnt sich allemal: Geht es doch um das höchste Gut, das Salzburg seinen Bürgern bieten kann – die hohe Lebensqualität.
Maßnahmenpaket mit den Bürgern ist fällig