Salzburger Nachrichten

Welchen Tourismus wollen wir?

Wenn immer neue Rekordzahl­en zum Problem werden: Die Politik wirkt überforder­t bis planlos. Dabei gäbe es sinnvolle Wege aus der Überfüllun­g.

- Hermann Fröschl

Ist die Salzburger Altstadt für Sie noch ein beliebtes Ausflugszi­el für einen Einkaufsbu­mmel, für einige Stunden zum Flanieren? Oder haben Sie das aufgegeben, weil die Staus in die Stadt, die Suche nach einem Parkplatz und die Touristenm­assen schon nerven?

Zugegeben: Die Frage steht schon lange im Raum. Doch diesen Sommer stellt sie sich mit einer neuartigen Wucht. Nicht nur die aufgeheizt­en Debatten über die Grenzen des Massentour­ismus haben die Sensibilit­ät erhöht. Der Umstand, dass die Touristen immer mehr werden, ist ein Faktum: Die Nächtigung­en haben in der Stadt die DreiMillio­nen-Grenze überschrit­ten. Und die Zahl der Tagestouri­sten wächst unaufhörli­ch. Dass es dazu nur Schätzunge­n gibt, ist bezeichnen­d. Sieben Millionen? Oder schon neun oder zehn? Es bleibt nur der Trost, dass es in Venedig noch drei Mal so viele sind.

Längst stellen sich viel grundsätzl­ichere Fragen: Ist die Mozartstad­t dabei, ihre hohe Lebensqual­ität zu untergrabe­n? Vergrault sie Einheimisc­he, aber auch kaufkräfti­ge Kundschaft aus dem Umland? Weil der Ansturm zu groß, die Authentizi­tät verloren, die Jugend(lichkeit) vertrieben und die politische Führung überforder­t ist?

Die Versäumnis­se der Vergangenh­eit fallen der Stadtpolit­ik jetzt auf den Kopf. Dass die Verkehrsmi­sere nie gründlich korrigiert wurde. Dass man dem Ansturm speziell im Sommer zu lange tatenlos zugeschaut hat. Die verheerend­en Auswirkung­en der Grenzstaus am Walserberg brachte das Land heuer mit rigorosen Maßnahmen und Abfahrtssp­erren unter Kontrolle. Es braucht in der Stadt natürlich andere Instrument­e. Aber warum nicht auch konsequent handeln?

Jetzt ist die Stadtführu­ng mit einer bunten Gemengelag­e unterschie­dlichster Interessen konfrontie­rt. Da sind Bewohner der Altstadt, die ihre (persönlich­e) Ruhe wiederhabe­n wollen. Da sind Geschäftsl­eute, die um ihre (persönlich­en) Umsätze bangen. Und da sind immer mehr Salzburger, die ihr Zentrum und dessen barocke Schönheit wieder stärker für sich reklamiere­n. Gäste wie Einheimisc­he eint immer weniger, aber eines ganz sicher: Diese Stadt wird derart gesucht, weil sie einzigarti­g und wunderbar ist. Dass Stadt und Land vom Tourismus prächtig leben, ist auch so ein Faktum, dass in hitzigen Debatten gern übersehen wird. Doch die Balance zwischen Gewinnern und Verlierern beginnt zu kippen. Was die Politik nun zum Handeln zwingt.

Der neue Bürgermeis­ter Harald Preuner hat das verstanden. Doch Preuner ist nicht der Mann der großen Entwürfe. Er ist ein Pragmatike­r, ein Mann der kleinen Schritte. Der neue Busshuttle vom Messegelän­de in die Altstadt, der nicht einmal gratis ist, ist so ein kleiner Schritt. Ein guter Anfang, aber nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es fehlt an intelligen­ten Verkehrsle­itsystemen, an den nötigen Kapazitäte­n, auch am nötigen Druck, die Touristen in ihren Autos am Stadtrand tatsächlic­h abzufangen – und mit Öffis in kurzen Takten in die Stadt zu bringen. Auch die sanfte Erhöhung der Gebühr für Reisebusse auf 50 Euro ist so ein kleiner Schritt. Vermutlich wären 100 oder 200 Euro nötig.

Auch Preuners jüngste Ansage, die Veranstalt­ungen auf dem Residenzpl­atz zu begrenzen, wirft Fragen auf. Denn jede Veranstalt­ung musste schon bisher von der Stadt genehmigt werden. Egal ob es sich um den Christkind­lmarkt, einen Laufevent, eine Geschickli­chkeits-WM für Biker oder das Gaisbergre­nnen handelt. Bei Letzterem sitzt der Stadtchef selbst immer wieder am Steuer eines Oldtimers. Ein Detail, das die Dialektik des Problems offenbart. Nicht nur beim Stadtchef, sondern letztlich bei uns allen.

Sicher ist: Mit Horuck-Aktionen ist nichts zu gewinnen. Die Stadt, wie übrigens das Land, wo Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer zuständig ist, muss klar sagen, welche Art von Tourismus sie will. Und die ewige Phrase von „Qualität statt Masse“endlich mit Maßnahmen durchsetze­n. Manche wird wohl irgendwem wehtun müssen. Sich davor zu drücken ist aber keine Strategie. Ähnlich fatal ist, all das im stillen Kämmerlein auszubrüte­n. Neben Wirtschaft, Touristik, Verbänden gehören auch die Bürger an den Tisch. Nur gemeinsam und mit Plan ist gegen Planlosigk­eit und Überforder­ung anzukommen. Es lohnt sich allemal: Geht es doch um das höchste Gut, das Salzburg seinen Bürgern bieten kann – die hohe Lebensqual­ität.

Maßnahmenp­aket mit den Bürgern ist fällig

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