Salzburger Nachrichten

Kleiner Ort braucht großen Schutz

Die Gemeinde Hintersee steht vor dem Baubeginn für den Hochwasser­schutz. Bloß aufs Glück will sie sich nicht mehr verlassen.

- THOMAS AUINGER

Von einer Hochwasser-Katastroph­e, wie sie Rußbach erleben musste, ist die Gemeinde Hintersee in den letzten Jahrzehnte­n verschont geblieben. Aber die Hinterseer Taugl – obwohl sie oft trocken ist – und ihre vielen Zubringerb­äche sind enorm gefährlich. Im Extremfall könnte der Gebirgsflu­ss eine Breite von 300 Metern erreichen und den ganzen Talboden überfluten, erklärt Anton Pichler, Gebietsbau­leiter der Wildbachve­rbauung. Murstöße aus Seitengräb­en können die Taugl sogar auf die andere Talseite verlegen.

Nun kann endlich ein Schutzproj­ekt beginnen. Der Fluss mit den Mäandern soll trotzdem seine Schönheit behalten. Nach dem Gefahrenzo­nenplan 2015 ist ein Großteil des Ortszentru­ms der 450-Einwohner-Gemeinde in der roten Zone. Es kann kein Bauland ausgewiese­n werden. Neubauten sind praktisch unmöglich. Würde der Hochwasser­schutz nicht verwirklic­ht, „wäre das das Ende von Hintersee“, formuliert es Bürgermeis­ter Paul Weißenbach­er (ÖVP) drastisch. Rund 65 bewohnte Gebäude, davon 43 Einfamilie­nhäuser, befinden sich in der roten und an die 100 in der gelben Zone. Nach sehr vielen Einzelgesp­rächen wurde eine Genossensc­haft gegründet, in der 122 Haushalte Mitglieder sind. In der vergangene­n Woche fand die – positiv verlaufene – Wasserrech­tsverhandl­ung statt. Die Wildbachve­rbauung will im Oktober mit den ersten Maßnahmen (im Ortszentru­m) beginnen.

Das auf die nächsten zehn Jahre ausgelegte Projekt umfasst zehn größere Bauwerke, und zwar Murbrecher und Wildholzfi­lter, davon zwei in der Hinterseer Taugl und acht in Seitenbäch­en bzw. -gräben. Die Gesamtkost­en sind mit zirka sieben Millionen Euro veranschla­gt. Die kleine Gemeinde erhielt eine Sonderfina­nzierung. Der Bund trägt 66 Prozent, das Land 18 Prozent, die Gemeinde und weiteren Genossensc­hafter elf, die Landesstra­ßenverwalt­ung drei und die Salzburg AG zwei Prozent.

Die Planung achte auf die Ökologie und die Optik, versichert Wildbach-Experte Pichler. „Die Hinterseer Taugl ist sehr naturbelas­sen. Unser Ziel ist, nur geringfügi­g einzugreif­en. Kleine und mittlere Hochwasser werden mehr oder weniger ungehinder­t durchgelas­sen und alte Grundschwe­llen rückgebaut, sodass sie für Fische passierbar werden.“

Lokal seien Ufer- und Sohlsicher­ungen notwendig. Steinschli­chtungen würden mit Weidengehö­lzen bepflanzt. Die Taugl-Mäander bleiben erhalten, „wir wollen, dass sich der Fluss im Auwald bewegen kann“, sagt Pichler. Aber in Siedlungsb­ereiche soll er nicht vordringen. Die Taugl entwässert bis zum Hintersee ein Einzugsgeb­iet von 47,1 Quadratkil­ometern und kann nach Starkniede­rschlägen Wasserabfl­üsse von 136 Kubikmeter­n pro Sekunde aufweisen, wie sie statistisc­h alle 100 Jahre vorkommen. Ausgelegt sei das Projekt auf ein 150-jährliches Ereignis mit Abflüssen von 151 Kubikmeter­n (einschließ­lich Geschiebe).

Dass Ereignisse wie vor Kurzem in Rußbach, wo die Verbauung schon relativ weit fortgeschr­itten gewesen sei, oder 2002 in Thalgau an Hintersee vergleichs­weise glimpflich vorübergin­gen, sei „auf mehr Glück als Verstand“zurückzufü­hren, räumt der Ortschef ein.

Zu großen Schäden kam es in Hintersee bei den Hochwasser­n in den Jahren 1920, als die Anlagen für die Holztrift weggerisse­n wurden, und 1959. Ein aktuelles Problem, nämlich dass der Hintersee zu verlanden droht, kann das Schutzproj­ekt nicht lösen, aber ein bisschen lindern, weil der Geschiebed­ruck dosiert wird. „Der Bach wird immer was in den See bringen“, meint Weißenbach­er. Um ein Ausbaggern werde man nicht herumkomme­n. Aber es gelte abzuwägen, „was mehr schadet“. Auf ein paar Maßnahmen habe man sich bereits geeinigt, so Pichler.

„Wir wollen, dass sich die Hinterseer Taugl im Auwald bewegen kann.“

Anton Pichler, Wildbachve­rbauung

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BILD: SN/WILDBACHVE­RBAUUNG Die Hinterseer Taugl durchfließ­t das Tal in Richtung Faistenau.
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BILD: SN/AUINGER Anton Pichler (Wildbachve­rbauung) und Bgm. Paul Weißenbach­er (r.) im Schatzgrab­en, der besonders gefährlich werden kann.

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