Kleiner Ort braucht großen Schutz
Die Gemeinde Hintersee steht vor dem Baubeginn für den Hochwasserschutz. Bloß aufs Glück will sie sich nicht mehr verlassen.
Von einer Hochwasser-Katastrophe, wie sie Rußbach erleben musste, ist die Gemeinde Hintersee in den letzten Jahrzehnten verschont geblieben. Aber die Hinterseer Taugl – obwohl sie oft trocken ist – und ihre vielen Zubringerbäche sind enorm gefährlich. Im Extremfall könnte der Gebirgsfluss eine Breite von 300 Metern erreichen und den ganzen Talboden überfluten, erklärt Anton Pichler, Gebietsbauleiter der Wildbachverbauung. Murstöße aus Seitengräben können die Taugl sogar auf die andere Talseite verlegen.
Nun kann endlich ein Schutzprojekt beginnen. Der Fluss mit den Mäandern soll trotzdem seine Schönheit behalten. Nach dem Gefahrenzonenplan 2015 ist ein Großteil des Ortszentrums der 450-Einwohner-Gemeinde in der roten Zone. Es kann kein Bauland ausgewiesen werden. Neubauten sind praktisch unmöglich. Würde der Hochwasserschutz nicht verwirklicht, „wäre das das Ende von Hintersee“, formuliert es Bürgermeister Paul Weißenbacher (ÖVP) drastisch. Rund 65 bewohnte Gebäude, davon 43 Einfamilienhäuser, befinden sich in der roten und an die 100 in der gelben Zone. Nach sehr vielen Einzelgesprächen wurde eine Genossenschaft gegründet, in der 122 Haushalte Mitglieder sind. In der vergangenen Woche fand die – positiv verlaufene – Wasserrechtsverhandlung statt. Die Wildbachverbauung will im Oktober mit den ersten Maßnahmen (im Ortszentrum) beginnen.
Das auf die nächsten zehn Jahre ausgelegte Projekt umfasst zehn größere Bauwerke, und zwar Murbrecher und Wildholzfilter, davon zwei in der Hinterseer Taugl und acht in Seitenbächen bzw. -gräben. Die Gesamtkosten sind mit zirka sieben Millionen Euro veranschlagt. Die kleine Gemeinde erhielt eine Sonderfinanzierung. Der Bund trägt 66 Prozent, das Land 18 Prozent, die Gemeinde und weiteren Genossenschafter elf, die Landesstraßenverwaltung drei und die Salzburg AG zwei Prozent.
Die Planung achte auf die Ökologie und die Optik, versichert Wildbach-Experte Pichler. „Die Hinterseer Taugl ist sehr naturbelassen. Unser Ziel ist, nur geringfügig einzugreifen. Kleine und mittlere Hochwasser werden mehr oder weniger ungehindert durchgelassen und alte Grundschwellen rückgebaut, sodass sie für Fische passierbar werden.“
Lokal seien Ufer- und Sohlsicherungen notwendig. Steinschlichtungen würden mit Weidengehölzen bepflanzt. Die Taugl-Mäander bleiben erhalten, „wir wollen, dass sich der Fluss im Auwald bewegen kann“, sagt Pichler. Aber in Siedlungsbereiche soll er nicht vordringen. Die Taugl entwässert bis zum Hintersee ein Einzugsgebiet von 47,1 Quadratkilometern und kann nach Starkniederschlägen Wasserabflüsse von 136 Kubikmetern pro Sekunde aufweisen, wie sie statistisch alle 100 Jahre vorkommen. Ausgelegt sei das Projekt auf ein 150-jährliches Ereignis mit Abflüssen von 151 Kubikmetern (einschließlich Geschiebe).
Dass Ereignisse wie vor Kurzem in Rußbach, wo die Verbauung schon relativ weit fortgeschritten gewesen sei, oder 2002 in Thalgau an Hintersee vergleichsweise glimpflich vorübergingen, sei „auf mehr Glück als Verstand“zurückzuführen, räumt der Ortschef ein.
Zu großen Schäden kam es in Hintersee bei den Hochwassern in den Jahren 1920, als die Anlagen für die Holztrift weggerissen wurden, und 1959. Ein aktuelles Problem, nämlich dass der Hintersee zu verlanden droht, kann das Schutzprojekt nicht lösen, aber ein bisschen lindern, weil der Geschiebedruck dosiert wird. „Der Bach wird immer was in den See bringen“, meint Weißenbacher. Um ein Ausbaggern werde man nicht herumkommen. Aber es gelte abzuwägen, „was mehr schadet“. Auf ein paar Maßnahmen habe man sich bereits geeinigt, so Pichler.
„Wir wollen, dass sich die Hinterseer Taugl im Auwald bewegen kann.“
Anton Pichler, Wildbachverbauung