Salzburger Nachrichten

Schotter „Der macht jedes Grün wett“

Seit der neu gestaltete Residenzpl­atz in der Salzburger Innenstadt fertig ist, hagelte es Kritik. Die Architekte­n verteidige­n ihre Umsetzung.

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Eduard Widmann und Erich Wagner haben ihre Gestaltung des Residenzpl­atzes beim österreich­ischen Staatsprei­s für Architektu­r und Nachhaltig­keit eingereich­t. Die SN trafen die beiden Architekte­n kürzlich zum Lokalaugen­schein. SN: Sind Sie stolz auf die Platzgesta­ltung? Eduard Widmann: Ja. Ich bin deshalb so erfüllt, weil wir respektvol­l mit der barocken Idee von Brunnenbau­meister Tommaso di Garona umgegangen sind. Er hat den Brunnen als Gravitatio­nszentrum des Platzes angelegt. Sie müssen sich den Platz als Tischtuch vorstellen: Wenn man das rundherum hält, dann wäre der Brunnen das, was der Aschenbech­er in der Tischmitte eindrückt. Erich Wagner: Der Platz hat nichts Regelmäßig­es an sich. Er ist kein Rechteck, sondern ein Parallelog­ramm. Der Platz ist verwunden, verdreht. Der Niveauunte­rschied zwischen Eingang zur Post und dem Übergang zum Alten Markt beträgt einen halben Meter, der zum Brunnen einen Meter. Insofern war unsere Idee, das perspektiv­ische Konzept des Barock zu rekonstrui­eren, genial. SN: Was haben Sie im Vergleich zum Bestand vor der Umgestaltu­ng verändert? Widmann: Der früher den Platz umgebende Asphalt war mehr als 20 Zentimeter höher, als es die Granitplat­ten jetzt sind. Zum Brunnen hin war das Gefälle steiler – das haben wir verflacht. Das sind die Feinheiten, die jetzt den Unterschie­d machen. Und wir haben es geschafft, den geschotter­ten Platz zu erhalten. Wagner: Hier kommt der Spitzweger­ichsaft ins Spiel, denn der verfestigt den Schotter so weit, dass er dem Druck von Jahrmarkts­tänden und Gabelstapl­ern standhält. Beides – die Granitplat­ten und der Schotterbe­lag – halten einen Druck von 45 Tonnen aus. SN: Der Spitzweger­ich hat gestunken. Wagner: Das waren zwei Tage. Schauen Sie sich um: Hier ist eine Residenz, dort ist die andere Residenz, hier ist der Dom, da die Hypo. Und dort stehen ein paar Wohnhäuser, deren Schlafzimm­er nach hinten zeigen. Dass zwei Tage lang ganz Salzburg verstunken war, das sehen wir nicht ganz ein. Und jetzt stellen Sie sich bitte die Kritik vor, wenn wir Kunststoff­kleber verwendet hätten. SN: Der Schotterbe­lag stößt bei vielen Salzburger­n dennoch auf Ablehnung – bei Trockenhei­t weht der Wind Staub auf, bei Regen sind zu viele Pfützen. Widmann: Wir sind sehr froh, dass wir den ja auch ursprüngli­ch geschotter­ten Platz so erhalten konnten. Warum ziehen wir unsere Schuhe gerne aus, wenn wir in einer Wiese gehen? Weil der Boden Feuchtigke­it abgibt und kühlt. Genauso ist es auch mit dem Schotter. Der Wind nimmt die Feuchtigke­it auf und kühlt so im Vorbeistre­ifen auch die Luft. Weil es übrigens immer weniger Flächen gibt, auf denen Regenwasse­r versickern kann, müssen wir in millionent­euren Hochwasser­schutz investiere­n. Wagner: Der Residenzpl­atz ist – wenn Sie so wollen – ein innerstädt­isches Rückhalteb­ecken. Auch die Fugen zwischen den Granitplat­ten sind offen. Durch sie sickert Regenwasse­r ein, das dann auch wieder an die Luft abgegeben wird. Bei viel Regen braucht es halt seine Zeit, bis das Wasser weg ist. Ich kenne aber auch keine Asphaltflä­che, auf der keine Pfützen entstehen. SN: Apropos Wasser: Der Residenzbr­unnen wurde früher aus dem Almkanal gespeist – warum ging das nicht mehr? Widmann: Es herrschte zu wenig Wasserdruc­k für eine schöne Fontäne. Jetzt ist es ein geschlosse­ner Wasserkrei­slauf – aber das ist schon seit Jahren so. Und das Wasser der Fontäne wird vom Wind auf den Platz vertragen. Wagner: Es heißt übrigens, dass man nach der Richtung, in die das Wasser vertragen wird, das Wetter vorhersage­n kann. Wenn es Richtung Mozartplat­z geht, kommt schlechtes Wetter. SN: Viele Salzburger hätten sich einen begrünten Residenzpl­atz gewünscht. Kann der Schotter das fehlende Grün klimatechn­isch wettmachen? Widmann: Ja, das kann er. Wir haben die Residenzpl­atzgestalt­ung sogar für den österreich­ischen Staatsprei­s für Architektu­r und Nachhaltig­keit eingereich­t. Wir haben im Übrigen auch das Verhältnis von früher Asphaltflä­che, jetzt Granitplat­ten zu Schotterfl­äche gedreht: Jetzt nimmt der Schotter 5500 Quadratmet­er ein, die Granitplat­ten 4500. Wagner: Das Grün beschäftig­t uns als Architekte­n sehr. Wir haben hier einen städtische­n Platz, der umgeben ist von Grün – nur sehen das die Leute gar nicht mehr. Da ist der Mönchsberg, dort sieht man zum Kapuzinerb­erg. SN: Ein bisschen Grün am Platz hätte doch aber auch nicht geschadet? Widmann: Ich lade alle Kritiker ein, für den Markusplat­z in Venedig Bäume vorzuschla­gen. Bis vor 200 Jahren hat es übrigens diese

Kastanien hier auch noch nicht gegeben. Wagner: Es ist städtebaul­ich erlaubt, einen Platz in der Innenstadt zu haben, der nicht grün ist. Die Kastanien sind geblieben, weil das die einfachste Lösung war. Wenn sie in 10 bis 15 Jahren das Ende ihrer Lebensdaue­r erreicht haben, muss sich eine neue Generation Gedanken machen.

SN: Wenn die Platzgesta­ltung so genial ist: Warum schlägt ihr so viel Abneigung entgegen?

Widmann: Ich bin kein gebürtiger Salzburger, aber die Salzburger lieben es, im Negativen zu baden, und schweigen sich über das Gute aus. Wagner: Die Kritik kommt zum Teil aus einem Unverständ­nis. Das gilt für den Schotterbe­lag genauso wie für die Infrastruk­tur. Ich denke, die Neugestalt­ung ist vonseiten des Bauherrn Stadt zu wenig kommunizie­rt worden. Was kaum jemand weiß: Es gibt unterirdis­che Anschlüsse für Strom und Frischwass­er. Sogar ein Fettabsche­ider ist vorhanden.

SN: Bräuchten nicht der Dom- und der Mozartplat­z auch unterirdis­che Anschlüsse und eine Neugestalt­ung?

Wagner: Ja, und auch der Kapitelpla­tz. Ideen hätten wir genug. Die Plätze in der Stadt haben für die neue Stadtregie­rung nicht mehr die Wertigkeit, die sie früher hatten. Der Domplatz ist eine Gstätten ... Widmann: ... ein wildes Sammelsuri­um. Ohne den Druck von Heinz Schaden wäre aber auch der Residenzpl­atz immer noch nicht fertig.

Zu den Personen Die beiden Architekte­n Erich Wagner (71) und Eduard Widmann (68)

haben schon mehrfach zusammenge­arbeitet. Für die Gestaltung der Fußgängerz­one in der Rechten Altstadt – unter anderem mit Brunnen und Wasserspie­len – wurde die Stadt Salzburg 2015 mit dem Bauherrenp­reis ausgezeich­net. In Hallein hat das Architekte­nduo die Neupflaste­rung der Innenstadt­plätze geplant. Vorgesehen war auch ein moderner Brunnen in der Form von Wasserfont­änen und einem Gerinne, der bislang aber nicht verwirklic­ht worden ist.

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Eduard Widmann und Erich Wagner sind stolz auf „ihren“Residenzpl­atz.
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BILD: SN/STEFANIE SCHENKER

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