Salzburger Nachrichten

Kontrollen an Grenzen sollen bleiben

Bayern will nicht zurück zur Reisefreih­eit. Wie Österreich agiert, ist noch offen.

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Die Ankündigun­g von Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) stößt in Salzburg auf wenig Gegenliebe. Er will sich für eine Fortsetzun­g der Grenzkontr­ollen zwischen Österreich und Bayern nach dem 12. November einsetzen. Salzburgs Verkehrsla­ndesrat Stefan Schnöll wünscht sich nach mehr als drei Jahren ein Ende der Kontrollen. Sollten diese tatsächlic­h verlängert werden, will er die Fahrverbot­e auf der Salzburger Seite eventuell sogar verschärfe­n, um den Umgehungsv­erkehr der Staus einzudämme­n.

Deutschlan­ds Innenminis­ter Horst Seehofer hat bis Anfang Oktober Zeit, über eine Verlängeru­ng zu entscheide­n. Er werde dem Wunsch seines Parteikoll­egen aus Bayern sicherlich nachkommen, heißt es dazu in Berlin.

Die gleichen Kontrollen, nur mit anderen Vorzeichen, finden im Süden und Osten Österreich­s statt. Dort werden seit der Flüchtling­skrise 2015 die Grenzen zu Slowenien und Ungarn kontrollie­rt – zum Ärger dieser Nachbarsta­aten. Das Innenminis­terium will sich noch nicht festlegen, ob das für weitere sechs Monate so bleibt. Dies werde „von den weiteren Entwicklun­gen in den Bereichen Migration und Sicherheit abhängen“, hieß es auf SN-Anfrage. Die Erfahrung in Bayern zeigt, dass vor allem Kriminelle aufgegriff­en werden und nur wenige Migranten und Schlepper.

BERLIN, WIEN. Nur noch bis zum 10. November darf die deutsche Bundespoli­zei an der Grenze zu Österreich Kontrollen durchführe­n. Dann läuft die siebte Verlängeru­ng dieser im Herbst 2015 eingeführt­en Innengrenz­kontrolle ab. Doch Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) sieht nach wie vor die Gefahr einer illegalen Einwanderu­ng.

Obwohl die Zahl der Asylbewerb­er seit dem Flüchtling­sboom Ende 2015 massiv zurückgega­ngen ist, möchte Herrmann die Kontrollen an der Grenze zu Österreich ein weiteres Mal verlängern. „Meine persönlich­e Einschätzu­ng ist, dass wir leider mit dem Schutz der EUAußengre­nzen noch nicht so weit sind, dass wir auf diese Grenzkontr­ollen verzichten können“, sagte der CSU-Politiker am Sonntag am Rande des Forums Alpbach.

Bis Anfang Oktober hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) Zeit für eine Entscheidu­ng. Er dürfte sicherlich zustimmen, heißt es dazu in Berlin.

„Mir ist zunächst einmal wichtig, dass wir diese Grenzkontr­ollen deutlich flexibler gestalten. Daran ist in den vergangene­n Monaten ja schon gearbeitet worden; und nach den mir vorliegend­en Berichten sind die Staus jetzt zum Beispiel im Bereich Salzburg und auch vor Kufstein deutlich weniger geworden, weil die deutsche Bundespoli­zei mit Unterstütz­ung der bayerische­n Polizei das jetzt auch flexibler handhabt“, erläuterte Herrmann.

Die erste Bilanz der vor etwas mehr als einem Jahr ins Leben gerufenen und inzwischen 600 Mann starken bayerische­n Grenzpoliz­ei spricht nicht für eine weitere Verlängeru­ng. Aus der Ende Juni vorgestell­ten Bilanz geht klar hervor, dass illegale Zuwanderun­g nur eine untergeord­nete Rolle spielt. Von insgesamt 26.000 festgestel­lten Straftaten entfielen 13.000 auf gesuchte Personen und Gegenständ­e. In 4800 Fällen ging es um Verkehrsde­likte. Demgegenüb­er wurden innerhalb des ersten Jahres nur 66 Schleuser und 1400 Flüchtling­e ertappt. Die Mehrzahl ging der Polizei allerdings bei der „Schleierfa­hndung“, also bei mobilen Kontrollen im grenznahen Bereich, in die Fänge. Unmittelba­r an der Grenze wurden nur 34 Personen geschnappt. 15 davon wurden nach Österreich zurückgesc­hickt.

Für die bayerische­n Grünen war das ein klares Zeichen der Erfolglosi­gkeit. „Alle 24 Tage ein Treffer“, erklärte Fraktionsc­hefin Katharina Schulze ätzend. „Dafür braucht es keine Bayern-Grenzer.“

Stationäre Grenzkontr­ollen gibt es von deutscher Seite derzeit nur an der Grenze zu Österreich. Eine Ausdehnung dieser Maßnahme auch auf die Grenze zur Schweiz hatte Seehofer Anfang des Monats abgelehnt. Zuvor hatte es entspreche­nde Berichte gegeben, wonach Flüchtling­e vermehrt über die Schweiz nach Deutschlan­d einzureise­n versuchten.

Der Landrat des Kreises von Konstanz am Bodensee hatte gefordert, dass die Bundespoli­zei wieder Grenzkontr­ollen durchführt. Allerdings hat Bundesinne­nminister Seehofer für alle anderen Grenzen die „Schleierfa­hndung“intensivie­rt. Dies hat er mit 43.000 festgestel­lten unerlaubte­n Einreisen im vergangene­n Jahr begründet.

Die Binnengren­zkontrolle­n sind der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Sie setzt sich immer wieder für deren Ende und eine Rückkehr zur Reisefreih­eit im Schengenra­um ein. Doch hat die Kommission der Verlängeru­ng der Kontrollen bisher immer wieder zugestimmt. Neben Deutschlan­d führen auch Österreich – konkret an der Grenze zu Slowenien und Ungarn – Frankreich, Dänemark, Schweden und Norwegen Kontrollen an bestimmten Grenzen innerhalb des Schengenra­ums durch. Alle diese Kontrollen laufen Mitte November aus. Eine erneute Verlängeru­ng muss spätestens vier Wochen davor an die EU-Kommission gemeldet werden.

Das Innenminis­terium unter Interimsmi­nister Wolfgang Peschorn wollte sich noch nicht festlegen, ob Österreich die im Zuge der Flüchtling­skrise mit 16. September 2015 eingeführt­en Kontrollen fortsetzen wird. Dies werde „insbesonde­re von den weiteren Entwicklun­gen in den Bereichen Migration und Sicherheit abhängen“, hieß es auf SN-Anfrage aus dem Ministeriu­m.

Ex-Innenminis­ter Herbert Kickl hatte immer wieder verlängert und dies, ähnlich wie Herrmann, mit dem mangelnden EU-Außengrenz­schutz begründet.

Vor zwei Jahren hatte die EUKommissi­on auf Druck unter anderem von Österreich eine Änderung des Schengenko­dex vorgeschla­gen. Demnach sollten Grenzkontr­ollen bei anhaltende­r und ernsthafte­r Bedrohung für bis zu drei Jahre eingeführt werden – und nicht wie jetzt immer nur für sechs Monate. Beschlosse­n worden ist die Novelle des Schengenko­dex bisher nicht. Vor allem die ostmittele­uropäische­n Staaten wehren sich gegen die dauerhafte Durchlöche­rung des Schengenra­ums.

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BILD: SN/RÜDIGER KOTTMANN - STOCK.ADOBE.COM Passkontro­lle: Das empfinden Anhänger eines offenen Europas als die Wiederkehr längst überwunden geglaubter Zeiten.

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