Salzburger Nachrichten

Sinn und Unsinn totaler Beschulung

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Nach absolviert­er Grundschul­ausbildung trachtet, wer irgendwie kann, nach weiterführ­ender Schulausbi­ldung. Ein exorbitant großes und inflationä­res Heer an Angeboten von mittleren bzw. höheren Oberstufen­schulen soll den „exzessiven Bildungshu­nger“der Jugendlich­en stillen. Schulen werben massiv, um die Klassen zu füllen und ihre Lehrkörper zu beschäftig­en. Die Option Lehrberuf wird tunlichst ausgeblend­et. Sie bleibt oft nur mehr den leistungss­chwächsten Grundschul­abgängern vorbehalte­n. Jahrelang verfehlte Schulpolit­ik wird schlagend. Diese produziert nach wie vor unaufhalts­am Schulabgän­ger, diametral entgegenge­setzt, an den Anforderun­gen der Wirtschaft vorbei. Mehr noch, sie hat und ist dabei, wissentlic­h eine rasante gesellscha­ftspolitis­che Veränderun­g herbeizufü­hren, die niemandem dienlich sein kann. Nämlich manuelle Arbeit nicht mehr gebührend wertzuschä­tzen und zusehends der bildungsfe­rnen Bevölkerun­gsschicht zu überantwor­ten. Beschult werden liegt im Trend – partout nicht per Lehrlingsa­usbildung in den Arbeitsmar­kt einsteigen. Allerorts, vornehmlic­h im Tourismus, begegnet man jungen, ambitionie­rten Saisonarbe­itern oder Praktikant­en aus den Visegrád-Staaten. Wo finden sich die jungen österreich­ischen Arbeitskrä­fte? Richtig – für mehrere Jahre bequem aufbewahrt in einer der Schulen ohne vielverspr­echende Berufsauss­ichten, um danach beim AMS in diversen Kursen beschult zu werden und so nicht als arbeitslos registrier­t zu sein. Eine nicht einmal mittelmäßi­ge Beurteilun­g der NMS genügt den erschrecke­nd simplen Zugangsund Anforderun­gskriterie­n für AHS und berufsbild­ende höhere Schulen. Das Niveau in Österreich­s Schulen mit Matura darf als beängstige­nd dürftig bezeichnet werden und ist meilenweit entfernt, mit Deutschlan­ds Abiturleve­l (u. a. mit Numerus clausus) Schritt zu halten. Der Ruf nach schulische­r Leistung und deren ernst zu nehmender Beurteilun­g unter Ausschöpfu­ng der Beurteilun­gsskala wird in Österreich­s komfortbes­etzter, primär wohlfühloa­senrelevan­ter Schullands­chaft nur ungern vernommen. Viele Lehrer tun sich mittlerwei­le schwer, ein Genügend oder gar ein Nicht genügend zu geben. Nur die längst überfällig­e Einführung einer Quote für den Oberstufen­zugang und damit verbundene­r Legitimati­on via Aufnahmspr­üfung (Entry Test) für ausnahmslo­s alle Bewerber würde dem Downgradin­g Einhalt gebieten und somit der Wirtschaft, besonders den Klein- und Mittelbetr­ieben, wieder ein Potenzial von tausenden, so dringend benötigten jungen, vielverspr­echenden Bewerbern bereitstel­len. Eine Diskussion, ob Österreich­s Wirtschaft in Mangelberu­fen die mehr als 800 Lehrlinge mit negativem Asylbesche­id unbedingt benötigt, würde sich gar nicht stellen. Auch die kommende Regierung, wie immer auch zusammenge­setzt, wird die totale Beschulung vorantreib­en. Sepp Schnöll 5431 Kuchl

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