Salzburger Nachrichten

Der Albtraum Salvini ist gebannt – vorerst

Italien bekommt eine neue, gemäßigter­e Regierung. Aber wie stabil ist die Koalition in Rom?

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In Italien bahnt sich nicht nur eine neue Regierungs­koalition an, eine Neuausrich­tung der Politik in Rom steht bevor. Die populistis­che Fünf-Sterne-Bewegung paktiert nun mit den Sozialdemo­kraten statt wie in den vergangene­n 14 Monaten mit der rechtspopu­listischen Lega. Staatspräs­ident Sergio Mattarella beauftragt­e Noch-Premier Giuseppe Conte mit der Bildung einer entspreche­nden Regierung, die in den kommenden Tagen Konturen annehmen soll. Von rechts außen schwenkt Italien nun nach links.

Die Sozialdemo­kraten haben dabei das vertrauter­e Profil. Wer die Populisten von der Fünf-Sterne-Bewegung sind, ist kaum auszumache­n. Als „linkspopul­istisch“wird die von dem Satiriker Beppe Grillo gegründete Bewegung gern bezeichnet, die Asylpoliti­k von Innenminis­ter Matteo Salvini trug auch sie mit. Zu erwarten ist, dass die neue Koalition in Rom sich vor allem der sozialen Frage zuwendet.

14 Millionen Italiener leben in Italien unter oder an der Armutsgren­ze. Betroffen ist vor allem Süditalien. Das Rezept der italienisc­hen Rechtspopu­listen um Salvini lautete „Italiener zuerst“. Die propagandi­stische Frontstell­ung von Immigrante­n und Einheimisc­hen, die wegen der Versorgung der „Fremden“zu kurz kämen, fruchtete bei den italienisc­hen Wählern.

Doch angesichts dieser Verkürzung und des harten Vorgehens Salvinis gegen Migranten und Hilfsorgan­isationen im Mittelmeer bildete sich in Italien auch immer mehr Widerstand gegen die Ultrarecht­e. Dieser Humus bildet nun die ideologisc­he Substanz für die neue Regierung unter Premier Giuseppe Conte.

Dieser muss noch zahlreiche Hürden nehmen, es geht um Posten, Programmat­isches und letztlich auch um die Bestätigun­g der FünfSterne-Mitglieder, die online über die Koalition abstimmen sollen. Der Erfolg der neuen Regierung hängt davon ab, ob es Conte und der Koalition gelingt, die sozialen Missstände in Italien anzupacken.

Mit der Einführung des sogenannte­n Bürgergeha­lts, einer verkappten Sozialhilf­e, machten die Fünf Sterne bereits einen Anfang. Regelmäßig­e Unterstütz­ung für Bedürftige gab es in Italien bisher nicht. Nun könnten in Italien auch der Mindestloh­n und mehr Schutz für Menschen in prekären Arbeitsbed­ingungen kommen. Die Frage ist, wie Italien diese Politik finanziere­n kann. Der Streit um Neuverschu­ldung des mit über 2300 Mrd. Euro hoch verschulde­ten italienisc­hen Staates dürfte damit keinesfall­s beendet sein. Immerhin zogen die Sozialdemo­kraten bis jetzt die EU, den Garanten für 75 Jahre Frieden in Europa, als Institutio­n nicht in Zweifel. Illusorisc­he Versprechu­ngen wie eine „Flat Tax“von 15 Prozent, wie sie Lega-Chef Salvini vorschwebt­e, sind vom Tisch.

Beobachter in Italien heben hervor: Der Rechtspopu­list Salvini ist vorerst gestoppt. Nun kommt es darauf an, die Italiener von der Illusion der Nützlichke­it von Sündenböck­en, in diesem Fall der Migranten, zu befreien. Die Salvini-Propaganda hat sich angesichts der Unzufriede­nheit der Italiener über die Verhältnis­se im eigenen Land in vielen Köpfen festgesetz­t. Hier eine konstrukti­ve Politik zu machen, die den Wert der Solidaritä­t in den Mittelpunk­t stellt, ist die Herausford­erung für die neue Koalition.

Sozialdemo­kraten wie Fünf Sterne sind allerdings in ihrem Inneren zutiefst zerstritte­n. Der stärkste Kitt für den Pakt von Rom ist, Neuwahlen hinauszuzö­gern. Die zahlreiche­n Regisseure der italienisc­hen Politik haben ihre eigenen Pläne und Interessen. So gilt die baldige Bildung eines neuen Parteienbl­ocks der Mitte angesichts der Radikalisi­erung an den Rändern als ausgemacht­e Sache.

Dass die neue Regierung Conte unter diesen Bedingunge­n das Ende der Legislatur­periode im Jahr 2023 erreicht, ist so gut wie ausgeschlo­ssen. Der Albtraum Salvini ist gebannt, allerdings nur für den Moment.

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BILD: SN/AFP Premier: Giuseppe Conte.

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