Salzburger Nachrichten

Wer rettet den Regenwald?

Die Amazonasst­aaten einigten sich im Dschungel auf ein 16-Punkte-Programm. Nur Brasilien schießt quer. Was dem Pakt die Wirkung nimmt.

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Die Amazonasst­aaten einigten sich im Dschungel auf ein 16Punkte-Programm. Nur Brasilien schießt quer. Gute Nachrichte­n kommen von der brasiliani­schen Agrarlobby.

Es waren schöne Bilder für die Welt. In einer Hütte der Amazonas-Ethnie Muina Murui saßen Präsidente­n, Vizepräsid­enten und Minister aus sieben Staaten Südamerika­s mit Ureinwohne­rn zusammen und berieten, wie man ihr Gebiet schützen kann, an dessen Überleben die ganze Welt ein Interesse hat. Die Machthaber der Region waren am Freitag in die kolumbiani­sche Amazonasst­adt Leticia gekommen, um angesichts der Brände konkrete Maßnahmen zur Rettung der grünen Lunge der Erde zu beschließe­n. Heraus kamen 16 Beschlüsse, aber die ideologisc­hen Differenze­n, die sich offenbarte­n, insbesonde­re die Verbohrthe­it von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, lassen Zweifel an der Umsetzbark­eit des Pakts aufkommen.

Wirklich gute Nachrichte­n kommen einzig von der brasiliani­schen Agrarlobby und internatio­nalen Bekleidung­skonzernen. Die einen fordern Bolsonaro in einer seltenen Allianz mit regierungs­unabhängig­en Organisati­onen zum Handeln gegen Abholzung und illegale Landnahmen auf. Die anderen wollen kein brasiliani­sches Leder mehr kaufen, um so nicht weiteren Umweltverg­ehen Vorschub zu leisten.

Bei dem Treffen in Leticia einigten sich Kolumbien, Peru, Brasilien, Ecuador, Bolivien, Surinam und Guyana unter anderem darauf, illegale Brandrodun­gen zu erschweren und Wetterdate­n auszutausc­hen. Zudem sollen die indigenen Amazonasbe­wohner in den Schutz des Regenwalde­s mehr eingebunde­n werden, ferner will man verstärkt gegen kriminelle Banden vorgehen, die sich immer dreister großer Teile Amazoniens bemächtige­n. Länderüber­greifend sollen zudem Polizeien und Geheimdien­ste beim Kampf gegen illegalen Bergbau und den Schmuggel von Flora und Fauna zusammenar­beiten.

Künftig soll insbesonde­re der Fokus auf die Prävention gelegt werden, damit Abholzunge­n und Brandrodun­gen bereits im Vorfeld bekämpft werden können. Seit Jahresbegi­nn wurden allein in Brasilien über 100.000 Feuer gezählt. Dies entspricht einer Zunahme von knapp zwei Dritteln im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. Außer in Brasilien brennt es vor allem im benachbart­en Bolivien verheerend.

Besonders auf länderüber­greifende Zusammenar­beit in einem Amazonas-Kooperatio­nsnetzwerk legen die Unterzeich­nerstaaten des „Pakts von Leticia“wert. Doch genau hier sind Probleme absehbar. Brasiliens Präsident Bolsonaro nahm krankheits­bedingt nur per Videoschal­tung an der Konferenz teil, schoss dabei aber gleich quer: Er weigerte sich, zum AmazonasSc­hutz bei der nationalen Souveränit­ät Abstriche zu machen, und beschuldig­te zudem seine linken Vorgängerr­egierungen, für die Vernichtun­g des Regenwalde­s Verantwort­ung zu tragen. Darüber hinaus warf er insbesonde­re Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron vor, sich der Reichtümer des Amazonas bemächtige­n zu wollen.

Boliviens linker Präsident Evo Morales machte den Kapitalism­us für alles Übel im Amazonas verantwort­lich. Schuld an der Zerstörung des Regenwalds seien das Streben „nach Profit und Luxus“sowie der Konsum, den einige wenige genössen, sagte Morales, dem im eigenen Land selbst vorgeworfe­n wird. großflächi­ge Brandrodun­gen politisch gefördert zu haben.

Ohne wirklichen Konsens und die Unterstütz­ung Brasiliens wird jedes Amazonas-Abkommen verpuffen. Denn von den sechs Millionen Quadratkil­ometern des Regenwalde­s liegen 58 Prozent in Brasilien, nur 13 Prozent in Peru, zehn Prozent in Kolumbien, acht Prozent in Bolivien. Und den Rest teilen sich Venezuela, Ecuador, Surinam, Französisc­h-Guyana und Guyana.

Vermutlich nur ökonomisch­er Druck kann Bolsonaro zum Einlenken bewegen. In diesem Zusammenha­ng lassen die Entscheidu­ngen der Bekleidung­skonzerne H&M und Timberland sowie des Schuhherst­ellers Vans aufhorchen, die für ihre Produktion­en kein Leder mehr in Brasilien kaufen wollen. H&M erklärte, das Importverb­ot bleibe so lange in Kraft, bis es glaubhafte Garantiesy­steme gebe, dass das Leder nicht zu Umweltschä­den im Amazonasge­biet beitrage.

Bemerkensw­ert ist die Kritik des mächtigen brasiliani­schen Verbands für Landwirtsc­haftshande­l, ABAG, der die Untätigkei­t der Regierung geißelt. „Die Landwirtsc­haftsindus­trie wird durch das Tun illegaler Banden beschädigt“, sagte ABAG-Präsident Marcello Brito am Freitag. Dadurch werde die ganze Branche in Verruf gebracht. „Niemals in der Geschichte hat Brasilien im Ausland ein solch schlechtes Image gehabt“, kritisiert Brito.

„Noch nie hatte Brasilien ein so schlechtes Image im Ausland.“Marcello Brito, Agrarier-Präsident

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BILD: SN/AFP/N. GALEANO Bunte Bilder für die verstörte Welt: Die Staatschef­s trafen sich im Regenwald.

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