SPD veranstaltet ein Speed Dating um den Parteivorsitz
15 Kandidatinnen und Kandidaten, die meisten paarweise, ziehen durch die Lande. Nur wenige Prominente nehmen teil.
BERLIN. 18 Parteichefs hatte die SPD seit 1945. Derzeit sind es drei. Und bald werden es fünf sein. Wenn nämlich am 26. Oktober das Ergebnis der Basisabstimmung bekannt wird, kommen zu den drei kommissarischen Parteichefs noch zwei designierte hinzu – wenn nicht der unwahrscheinliche Fall eintritt, dass der einzige Einzelbewerber gewinnt.
Diese Häufung von Häuptlingen verdanken die deutschen Sozialdemokraten dem Prozedere zur Nachfolgesuche der im Zorn ausgeschiedenen Parteichefin Andrea Nahles. Danach darf die Basis zwar abstimmen, wen sie gern als neue Parteichefs hätte. Doch die Entscheidung trifft einzig der Parteitag Anfang Dezember. Und der ist nicht an den Mitgliederentscheid gebunden. Auch muss er zuerst die Satzung ändern, damit die SPD künftig von einer Doppelspitze geführt werden kann.
Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Zuerst müssen sich die nach dem Ausscheiden eines Bewerberpaars verbliebenen 15 Kandidaten auf 23 Regionalkonferenzen der Basis präsentieren. Angesichts der großen Bewerberzahl bleibt für den einzelnen Kandidaten relativ wenig Zeit zur Selbstdarstellung. Dennoch wird jede Veranstaltung bei diesen SPD-Primaries im Stile eines Polit-Speed-Datings fast drei Stunden dauern. Vor allen Dingen aber birgt dieses langwierige Prozedere keine Garantie, dass nachher irgendetwas besser wird in der SPD.
Schon die große Zahl an Kandidaten macht die Auswahl nicht leicht. Auch krankt die Nachfolgesuche daran, dass sich lang kein prominenter Politiker zur Kandidatur bereit erklärt hat. Viele haben abgewinkt. Auch der einzige prominente Kandidat, Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz, hat zuerst Nein gesagt. Nun wirft er doch seinen Hut ins Rennen, auf die Gefahr hin, am Schluss als Verlierer dazustehen. Denn wenn er nicht gewinnt, wird es schwer für ihn, seine beiden Posten zu behalten. Sollte er sich mit seiner ziemlich unbekannten Partnerin durchsetzen, stehen die Chancen für eine Fortsetzung der Großen Koalition (Groko) in Berlin gut. Alle anderen Kandidaten stehen der Groko dagegen eher skeptisch bis ablehnend gegenüber. Auch tendiert die Mehrzahl der Kandidaten zu einem deutlicheren Linkskurs, was die SPD an die Links-Partei annähern würde.
Dieses neue Auswahlverfahren, das rund vier Millionen Euro kostet, kommt nicht bei allen gut an. Kritisiert wird vor allem die mangelnde Bereitschaft von Spitzenpolitikern, sich für den heißesten Stuhl der Republik zu bewerben. Besonders hart geht der frühere Wahlkampfleiter Matthias Machnig, der 1998 den Wahlsieg von Gerhard Schröder managte, mit seinen Genossen ins Gericht. Er attestierte seiner Partei, dass sie sich in „ihrer grundlegendsten Identitäts- und Existenzkrise“befinde. Die SPD sei zuletzt nicht an Personen gescheitert, sondern am fehlenden Konsens zu „zentralen Fragen über Richtung, Programm, Struktur und Kultur“.