Salzburger Nachrichten

Johnson will sich mit allen Mitteln gegen Gesetz wehren

Sein Außenminis­ter sagt: „Wir werden bis zum Limit testen, was und was nicht dieses No-No-Deal-Gesetz verlangt.“

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Der britische Premiermin­ister Boris Johnson musste einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Nachdem schon sein Bruder Jo Johnson als Staatssekr­etär zurückgetr­eten war, folgte ihm am Wochenende die Arbeitsmin­isterin. Amber Rudd legte aus Protest gegen den Brexit-Kurs des Premiermin­isters ihr Amt nieder. Die als gemäßigt geltende Politikeri­n erklärte darüber hinaus, auch aus der Regierungs­partei austreten und bei den nächsten Wahlen als unabhängig­e Konservati­ve antreten zu wollen. Die 56-Jährige beklagte in ihrem Rücktritts­schreiben, dass die Regierung einen No-Deal-Brexit ansteuere. Außerdem kritisiert­e Rudd den Ausschluss von Konservati­ven, die gegen die Regierung und für das No-No-Deal-Gesetz gestimmt haben: „Ich kann einen solchen Akt des kurzsichti­gen politische­n Vandalismu­s nicht unterstütz­en.“

Seitdem das Parlament in der letzten Woche aus der Sommerpaus­e zurückgeke­hrt war, entgleiten Boris Johnson immer mehr die Zügel. Das Unterhaus brachte gegen den Widerstand der Regierung ein Gesetz durch, das den Premiermin­ister verpflicht­et, die EU um eine Fristverlä­ngerung zu bitten, sollte bis zum 19. Oktober kein Austrittsa­bkommen ratifizier­t sein. Johnson hatte dagegen geschworen, unter allen Umständen und notfalls auch ohne Deal den Brexit am 31. Oktober vollziehen zu wollen. Er wolle „eher tot im Graben liegen“, als den Canossagan­g nach Brüssel anzutreten. Der Premiermin­ister warf 21 ToryKolleg­en aus der Fraktion. Als Folge verlor damit die Regierung die Mehrheit im Unterhaus.

Ohne Regierungs­mehrheit sieht Johnson den einzigen Ausweg in vorgezogen­en Neuwahlen. Dafür braucht er eine Zweidritte­lmehrheit und die Mithilfe der Opposition. An diesem Montag will die Regierung einen entspreche­nden Antrag im Unterhaus einbringen. Doch Labour und weitere Opposition­sparteien haben schon ihr Veto erklärt. Zuerst müsse sichergest­ellt sein, dass Johnson nicht durch Tricks einen No-Deal-Brexit herbeiführ­en kann. Daher werde man erst nach erfolgter Bitte um Fristverlä­ngerung Neuwahlen zustimmen. Es ist eine verfahrene Situation für Boris Johnson. Im Unterhaus kann er nichts bewegen. Sein Kabinett droht zu zerfallen, und es wird schon spekuliert, dass weitere Rücktritte von gemäßigten Ministern anstehen.

So ist es kein Wunder, dass der Premier zu verzweifel­ten Schritten bereit ist und daran denkt, sich einfach nicht an das No-No-Deal-Gesetz halten zu wollen. „Wir werden die Verlängeru­ng sabotieren“, zitierte die „Sunday Times“einen Mitarbeite­r der Downing Street. Und in einem Interview mit dem Nachrichte­nsender Sky News bestätigte Außenminis­ter Dominic Raab am Sonntag: „Wir werden bis zum Limit testen, was und was nicht dieses No-No-Deal-Gesetz verlangt.“Damit scheint es Plan des Premiers zu sein, von den Gerichten klären zu lassen, ob er sich an das Gesetz halten muss. Der Supreme Court hätte das letzte Wort.

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