Ratten verbreiten Erreger
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten, und bis 2030 wird dieser Anteil auf 60 Prozent steigen. Das Zusammenleben mit den Nagetieren kann problematisch werden.
Die Entstehung von multiresistenten Krankheitserregern wird zu einem immer größeren, globalen Problem für die Gesundheit von Mensch und Tier. Im Fokus stehen dabei auch die Rattenbestände in den Städten. Mit den Ratten verbindet man die Pest und denkt, diese sei in Europa längst besiegt. Doch Ratten sind immer noch Träger von Krankheitskeimen, wie eine Wiener Untersuchung zeigt.
Ein Forschungsteam hat nun bei in der Wiener Innenstadt zwischen 2016 und 2017 gefangenen Ratten festgestellt, dass rund jede siebte davon (14,5 Prozent) multiresistente Enterobakterien in sich trug. Deren wichtigste Vertreter sind als Kolibakterien bekannt.
Die in Wien erhobene Häufigkeit ist laut einer Mitteilung der Universität Wien damit vergleichbar zum in früheren Studien in anderen Großstädten festgestellten Auftreten. So betrug die Prävalenz beispielsweise in Berlin 13,6 Prozent und in Hongkong 13,9 Prozent. Zudem trugen mehr als die Hälfte der Ratten in Wien (59,7 Prozent) gefährliche, multiresistente Staphylokokken in sich. Diese hoch virulenten Bakterien verursachen etwa Lebensmittelvergiftungen oder Lungenentzündung. Die Bakterien sind häufig resistent gegenüber Antibiotika. Obwohl die genaue Wechselwirkung zwischen mit multiresistenten Keimen belasteten Ratten und dem Risiko für die menschliche Gesundheit derzeit noch nicht geklärt sei, sei die beobachtete Häufigkeit multiresistenter Keime besorgniserregend, heißt es in der Studie. Eine der von den Forschern untersuchten Ratten wurde etwa in einem Grünbereich gefangen, der im Sommer von Obdachlosen als Schlafstelle genutzt wird. Diese besondere Situation erhöhe das Risiko einer Übertragung der resistenten Bakterien. Grundsätzlich sei für eine Übertragung aber auch eine Vielzahl weiterer Szenarien denkbar. Die Bekämpfung von Ratten, aber auch anderer Nagetiere wie Mäusen sei in Städten deshalb eine wichtige Priorität für die öffentliche Gesundheit, mahnen die Wissenschafter.
Für die Verbreitung und Entwicklung multiresistenter Keime sind Wanderratten (Rattus norvegicus) besonders relevant. Ratten gelten als die produktivste und am weitesten verbreitete städtische Schädlingsart. Sie ernähren sich von menschlichen Abfällen und besiedeln das Abwassersystem, wodurch sie häufig mit menschlichen Fäkalien interagieren und multiresistente Bakterien aufnehmen und verbreiten können. Über die genaue Rolle von Ratten in der Epidemiologie multiresistenter Keime ist bisher noch wenig bekannt. Die vorliegende Studie liefert deshalb einen wichtigen Beitrag, um den Kenntnisstand in diesem Bereich zu verbessern.
Die Arbeit ist das Ergebnis einer internationalen Kooperation zwischen der Vetmeduni Vienna (Forschungsinstitut für Wildtierkunde/Ökologie, Institut für Mikrobiologie), der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES), der Freien Universität Berlin sowie dem Leibniz-Institut für Photonische Technologien.