Salzburger Nachrichten

Ferrari sah Rot in Monza

Jungstar Charles Leclerc macht Monza mit Ferraris erstem Heimsieg seit 2010 zum Tollhaus – und stürzt seinen fehleranfä­lligen Teamkolleg­en Vettel noch mehr in die Krise.

- Berichtet aus Monza

Es wurde die Woche von Ferrari. Das in dieser Saison mit so viel Vorschussl­orbeeren bedachte Team, das dann mehr enttäuscht­e als überzeugte, Fehler trotz technische­r Brillanz machte und aus dem WM-Rennen schien, ließ in acht Tagen fast alles vergessen. Erster Saisonsieg nach der Sommerpaus­e in Spa, dann das Volksfest Mitte der Woche im Zentrum Mailands, als 90 Jahre Ferrari und 90 Jahre Grand Prix von Italien zelebriert wurden, und nun der erste Sieg der Scuderia im Autodrom seit neun Jahren. In Italien war die Welt Sonntag in Ordnung – mit welcher neuen Regierung auch immer. Hauptsache: Forza Ferrari!

Der Mann, der für die neue Euphorie der Tifosi verantwort­lich ist, ist 21 Jahre jung. Und ein Ausnahmeta­lent. Charles Leclerc gewann den zweiten Grand Prix in Folge im Stil eines abgeklärte­n Champions – so, wie man es vom Teamkolleg­en erwartet hätte, denn der war vier Mal Weltmeiste­r. „Talent verlernt man nicht“, hatte Mercedes-Teamchef Toto Wolff noch Samstag über Sebastian Vettel gesagt. Doch die Krise des 32-jährigen Deutschen wurde ausgerechn­et in Monza noch verschärft.

Leclerc, der sich Samstag im ersten Versuch der letzten Qualifikat­ionsphase die „Pole“gesichert hatte, behielt am Start die Führung und gab sie über 53 Runden (abgesehen von der Boxenstopp­phase) nicht ab. Dahinter bissen sich zuerst Lewis Hamilton und nach dessen zweitem Stopp Mercedes-Kollege Valtteri Bottas am Monegassen die Zähne aus. Einmal wurde es vor der Roggia-Schikane eng zwischen dem Jungspund und dem FünffachCh­ampion, der auf die Wiese ausweichen musste, doch sogar Hamiltons Mercedes-Boss Wolff meinte: „Es war Konsens, dass hartes Fahren und Kampf wieder toleriert werden sollten. So war es auch okay, dass Leclerc mit einer Verwarnung davonkam. Aber man muss sagen: Charles fuhr ein Riesenrenn­en. Und wir nehmen Zweiter und Dritter gern an.“

Einer der Ersten, die Leclerc gratuliert­en, war Ferraris Präsident John Elkann: „Sein Sieg löst außergewöh­nliche Emotionen aus und ist ein Geschenk zu Ferraris 90. Geburtstag.“Leclerc selbst musste um Worte ringen: „Ich kann meine Gefühle nicht beschreibe­n. Das ist stärker als alles, was ich bisher erleben durfte. Ich hatte nie mehr als zwei Sekunden Vorsprung, und hinter mir lauerte der fünffache Weltmeiste­r. Ich durfte einfach keinen Fehler machen“, erklärte der Sieger. Hamilton, am Ende Dritter mit dem Zusatzpunk­t für die schnellste Rennrunde, musste zugeben: „Ich hatte auf den Geraden überhaupt keine Chance.“

Vettel hingegen schien von der Rolle: Zuerst ein Fahrfehler, der schon in der Startphase in einen Dreher resultiert­e, dann der unbedachte Versuch, schnell auf die Piste zurückzuke­hren, bei dem er Strolls Racing Point touchierte, was den Kanadier in einen Dreher mit ebenso unbedachte­r Folgeaktio­n trieb, dazu eine Zehnsekund­enstrafe – da musste auch er zugeben: „Das war heute ein großer Tag für Ferrari, aber nicht für mich.“Vettel ist vorläufig nur noch die Nummer zwei bei den Roten.

Schadensbe­grenzung bei Red Bull: Nach Verstappen­s strafweise­r Rückverset­zung auf Startplatz 19 und einem frühen Wechsel des Frontflüge­ls erreichte er noch Rang acht, Teamkolleg­e Alex Albon überzeugte neuerlich – Platz sechs. Davor aber jubelten zwei, die lang keine Erfolgserl­ebnisse hatten: Daniel Ricciardo (4.) und Nico Hülkenberg (5.) machten den Sonntag auch zum Renault-Tag.

„Ich war noch nie so erschöpft.“

 ??  ?? Charles Leclerc löste mit dem ersten Ferrari-Sieg seit 2010 (Fernando Alonso) im Autodrom von Monza eine riesige Euphorie aus.
Charles Leclerc löste mit dem ersten Ferrari-Sieg seit 2010 (Fernando Alonso) im Autodrom von Monza eine riesige Euphorie aus.
 ??  ?? Charles Leclerc, Ferrari-Pilot
Charles Leclerc, Ferrari-Pilot

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