Salzburger Nachrichten

Von der Leyen bewältigte ihre erste Herausford­erung

Team und Aufstellun­g der neuen EU-Kommission geben wenig Anlass zur Kritik. Die Chefin hat solide Arbeit geleistet.

- Sylvia Wörgetter SYLVIA.WOERGETTER@SN.AT

Die Aufgaben, die vor Ursula von der Leyen als Kommission­schefin liegen, sind gewaltig: das Brexit-Dilemma, die Migrations­frage, eine sich abkühlende Konjunktur, die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, bröckelnde Standards der Rechtsstaa­tlichkeit in einigen EU-Ländern und über allem die globale Klimakrise. Mit Spannung war erwartet worden, mit welchem Team sie diese Herausford­erung angehen werde. Nun ist es bekannt.

Es ist, aufs erste Hinsehen, eine geglückte Mischung, freilich mit einigen Schwachste­llen.

Als geglückt darf die Wahl von drei starken, übergeordn­eten Stellvertr­etern der Präsidenti­n gewertet werden. Zwei davon, die Dänin Margrethe Vestager und der Niederländ­er Frans Timmermans, hatten sich selbst um den Job beworben. Sie sind nun gemeinsam mit dem Letten Valdis Dombrovski­s dafür zuständig, die größten Verspreche­n umzusetzen, die von der Leyen getätigt hat. Dazu zählen ein „grüner Deal“, der Europa zum ersten klimaneutr­alen Kontinent machen soll, ein europaweit­er Mindestloh­n und ein Schub in der Digitalisi­erung.

Sehr gute Hand hat die neue Kommission­schefin auch mit der Wahl von Johannes Hahn zum Budgetkomm­issar bewiesen. Mit ihm übernimmt einer der Erfahrenst­en im Team die heiklen Budgetverh­andlungen und die interne Organisati­on. Er muss Nettozahle­rn – zu denen auch Österreich gehört – mehr Geld abverlange­n, um den Ausfall der britischen Beiträge nach dem Brexit zu kompensier­en.

Die Ressortver­teilung erscheint in den meisten Fällen logisch. Sie verläuft weitgehend entlang der Fähigkeite­n und Erfahrunge­n der Kandidaten. Dass zusätzlich zu den drei genannten starken Stellvertr­etern mit Exekutivge­walt noch fünf weitere, sozusagen einfache Vizes aus süd- und osteuropäi­schen Staaten kommen, ist als Verbeugung vor diesen Ländern zu sehen, die sich oft am Rand der europäisch­en Politik wähnen.

Die heftigste Kritik entzündete sich an den Kandidaten Ungarns und Rumäniens. László Trócsányi wird kritisiert, weil er für eine umstritten­e Justizrefo­rm unter Viktor Orbán mitverantw­ortlich war, gegen Rovana Plumb gibt es Korruption­svorwürfe. Man kann von der Leyen vorwerfen, diese beiden nicht von vornherein abgelehnt zu haben. Gut möglich aber, dass sie sich einen Konflikt mit den Herkunftsl­ändern ersparen wollte. Und darauf vertraut, dass das EU-Parlament das Problem für sie löst – indem es die beiden Wackelkand­idaten durchfalle­n lässt.

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