Von der Leyen bewältigte ihre erste Herausforderung
Team und Aufstellung der neuen EU-Kommission geben wenig Anlass zur Kritik. Die Chefin hat solide Arbeit geleistet.
Die Aufgaben, die vor Ursula von der Leyen als Kommissionschefin liegen, sind gewaltig: das Brexit-Dilemma, die Migrationsfrage, eine sich abkühlende Konjunktur, die größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, bröckelnde Standards der Rechtsstaatlichkeit in einigen EU-Ländern und über allem die globale Klimakrise. Mit Spannung war erwartet worden, mit welchem Team sie diese Herausforderung angehen werde. Nun ist es bekannt.
Es ist, aufs erste Hinsehen, eine geglückte Mischung, freilich mit einigen Schwachstellen.
Als geglückt darf die Wahl von drei starken, übergeordneten Stellvertretern der Präsidentin gewertet werden. Zwei davon, die Dänin Margrethe Vestager und der Niederländer Frans Timmermans, hatten sich selbst um den Job beworben. Sie sind nun gemeinsam mit dem Letten Valdis Dombrovskis dafür zuständig, die größten Versprechen umzusetzen, die von der Leyen getätigt hat. Dazu zählen ein „grüner Deal“, der Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll, ein europaweiter Mindestlohn und ein Schub in der Digitalisierung.
Sehr gute Hand hat die neue Kommissionschefin auch mit der Wahl von Johannes Hahn zum Budgetkommissar bewiesen. Mit ihm übernimmt einer der Erfahrensten im Team die heiklen Budgetverhandlungen und die interne Organisation. Er muss Nettozahlern – zu denen auch Österreich gehört – mehr Geld abverlangen, um den Ausfall der britischen Beiträge nach dem Brexit zu kompensieren.
Die Ressortverteilung erscheint in den meisten Fällen logisch. Sie verläuft weitgehend entlang der Fähigkeiten und Erfahrungen der Kandidaten. Dass zusätzlich zu den drei genannten starken Stellvertretern mit Exekutivgewalt noch fünf weitere, sozusagen einfache Vizes aus süd- und osteuropäischen Staaten kommen, ist als Verbeugung vor diesen Ländern zu sehen, die sich oft am Rand der europäischen Politik wähnen.
Die heftigste Kritik entzündete sich an den Kandidaten Ungarns und Rumäniens. László Trócsányi wird kritisiert, weil er für eine umstrittene Justizreform unter Viktor Orbán mitverantwortlich war, gegen Rovana Plumb gibt es Korruptionsvorwürfe. Man kann von der Leyen vorwerfen, diese beiden nicht von vornherein abgelehnt zu haben. Gut möglich aber, dass sie sich einen Konflikt mit den Herkunftsländern ersparen wollte. Und darauf vertraut, dass das EU-Parlament das Problem für sie löst – indem es die beiden Wackelkandidaten durchfallen lässt.