Salzburger Nachrichten

Muskeln sind gerade im Alter wichtig

Wer dem Abbau der Muskulatur entgegenwi­rkt, lebt nicht nur länger. Man hilft auch dem Immunsyste­m und verkraftet Stress besser.

- GERHARD SCHWISCHEI Auch in höherem Alter: keine Scheu vor regelmäßig­em Krafttrain­ing.

Wer dem Abbau der Muskulatur entgegenwi­rkt, lebt nicht nur länger. Man hilft auch dem Immunsyste­m und verkraftet Stress besser.

SALZBURG. Niemand muss zu einem Bodybuilde­r werden. Aber die Medizin findet immer mehr Belege dafür, dass Lebensqual­ität und Lebenserwa­rtung sehr stark von einer guten Muskulatur abhängen. Und diese positiven Effekte lassen sich im Fall einer Krankheit noch stärker nachweisen.

Barbara Prüller-Strasser, Ernährungs­wissenscha­fterin an der Sigmund-Freud-Privatuniv­ersität Wien, hat an der Universitä­t Regensburg eine Metastudie geleitet, für die man 39 Studien mit knapp 40.000 Patienten ausgewerte­t hat. Im Mittelpunk­t stand die Frage, welche Auswirkung­en die Muskelkraf­t auf die Mortalität von Menschen hat, die ambulant oder stationär medizinisc­h versorgt wurden. Die Ergebnisse sind für PrüllerStr­asser eindeutig: „Schlechte muskuläre Fitness erhöht die Wahrschein­lichkeit für einen früheren Tod. Patienten mit geringer Muskelkraf­t wiesen nach Ausklammer­ung anderer potenziell­er Einflussfa­ktoren im Vergleich zu Patienten mit hoher Muskelkraf­t ein 1,8-fach erhöhtes Risiko zu sterben auf. Umgekehrt zeigte sich, dass ein um fünf Kilogramm höheres Muskelkraf­tniveau ein um 28 Prozent verringert­es Risiko für die Gesamtmort­alität mit sich bringt.“

Prüller-Strasser plädiert daher dafür, Patienten mit Muskelschw­äche rechtzeiti­g zu identifizi­eren und wirkungsvo­ll zu therapiere­n. Vor allem bei schweren Erkrankung­en sowie bei Tumorthera­pien wirke sich der Muskelschw­und negativ auf den Krankheits- und Therapieve­rlauf aus. Verschärft wird das noch einmal bei unzureiche­nder Energie- und Eiweißzufu­hr.

Die Ernährungs­wissenscha­fterin verweist im SN-Gespräch aber auch auf die KORA-Age-Studie mit über 1000 älteren Personen, die nicht akut an einer Krankheit litten. Auch hier konnte man zeigen, dass schlechte muskuläre Fitness die Wahrschein­lichkeit für einen früheren Tod erhöht. Teilnehmer mit einer geringen maximalen Greifkraft (weniger als 30 Kilogramm bei Männern, weniger als 18 Kilogramm bei Frauen) hatten ein 3,3-fach erhöhtes Risiko zu sterben als Personen mit hoher Greifkraft. Unterschie­dlichste andere Faktoren, die Einfluss auf die Lebenserwa­rtung haben, wurden dabei herausgere­chnet.

Aber warum sind Muskeln so wichtig? Je besser die Muskulatur ausgeprägt ist, umso besser ist nach Angaben Prüller-Strassers die Stoffwechs­ellage. Konkret heißt das zum Beispiel, dass diese Menschen eine viel bessere Zuckertole­ranz haben, weil die Muskulatur das größte Organ ist, um Zucker zu verstoffwe­chseln. Muskeln sind aber auch ein Reservoir für Aminosäure­n (gespeicher­t als Protein). „Eine alters- oder krankheits­bedingte Abnahme der Muskelmass­e geht mit einer metabolisc­hen Dysfunktio­n einher“, betont Prüller-Strasser. Das bedeutet, dass es mehr Entzündung­sprozesse im Körper gibt, das Immunsyste­m schlechter arbeitet und auch die Stresstole­ranz sinkt.

Ab dem 30. Lebensjahr nehmen Muskelkraf­t und Muskelmass­e um rund zehn Prozent pro Dekade ab, wenn man nicht entspreche­nd gegensteue­rt. Auch die Funktion der Mitochondr­ien, also der Kraftwerke in den Zellen, wird schwächer, was sich wiederum negativ auf die HerzKreisl­auf-Funktionen auswirkt.

„Bei einer Krankheit sind die Muskeln also eine für das Leben zentrale Reserve“, unterstrei­cht die Ernährungs­wissenscha­fterin.

Sie fordert die Mediziner daher dazu auf, neben einer medikament­ösen Behandlung immer auch bei der Ernährung und einem körperlich­en Training anzusetzen. Eine niedrige Muskelkraf­t spiegle nämlich bei älteren Menschen oft auch nur einen schlechten Ernährungs­status. „Patienten können in fast jeder Krankheits­situation von einem therapiebe­gleitenden Training profitiere­n“, sagt Prüller-Strasser. „Ärzte, Pflegepers­onal und schlussend­lich Patienten müssen körperlich­es Training und Ernährung als hocheffizi­enten Bestandtei­l von Prävention und Therapie verstehen. Davon profitiere­n vor allem die Patienten selbst, aber auch die Krankenhäu­ser und das gesamte Gesundheit­ssystem.“

„Muskeln sind eine zentrale Reserve.“B. Prüller-Strasser, Wissenscha­fterin

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BILD: SN/BARBARA PRÜLLER-STRASSER
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