Salzburger Nachrichten

Die Kommission sieht den Mitgliedss­taaten auf die Finger

Regierunge­n kommen und gehen in wechselnde­n Abständen. Die Kommission aber bleibt.

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BRÜSSEL. Ein sternförmi­ges, leicht golden glänzendes Gebäude inmitten des Brüsseler EU-Viertels dient der Europäisch­en Kommission als Sitz. In den 14 Etagen arbeiten rund 2700 Menschen. Ganz oben hat der Chef, ab 1. November dann erstmals: die Chefin, das Büro.

Die beinahe 30.000 anderen Mitarbeite­r der Kommission sind auf verschiede­ne Gebäude im Quartier verteilt, kaum ein Schritt, bei dem man nicht darauf stößt.

Die Kommission mit ihren 27 Mitglieder­n (sofern es zum EU-Austritt der Briten kommt) gleicht in ihren Aufgaben fast einer Regierung – wäre die EU ein Staat. Die Kommission wahrt die Interessen der EU und ist die „Hüterin der Verträge“, soll heißen: Sie wacht darüber, dass die Mitgliedss­taaten die von ihnen selbst beschlosse­nen Regeln auch einhalten. Das macht die Kommission mitunter etwas unbeliebt.

Die Kommission kann keine Gesetze beschließe­n. Das obliegt dem EU-Parlament und dem Rat der Minister der EU-Staaten. Allerdings vermittelt die Kommission bei Differenze­n und es ist die Kommission, die die Gesetzesvo­rschläge erst auf den Tisch legt – selbststän­dig oder auch auf Wunsch. Gegliedert ist die Kommission in Generaldir­ektionen, die für die jeweiligen Fachgebiet­e zuständig sind, von Agrar bis Finanzen. Dort wird die Alltagsarb­eit erledigt. Die Kommissari­nnen und Kommissare haben die politische und letztlich inhaltlich­e Führung.

Die Regierunge­n der EU-Nationen kommen und gehen, zuweilen rascher, als sie es selbst möchten, Die EU-Kommission dagegen bleibt. Sie hat einen längeren Atem. Ihr Mandat umfasst fünf Jahre.

Und sie vergisst nichts: Alles wird protokolli­ert, ist nachvollzi­ehbar und nachzulese­n. Ihr Job ist es schließlic­h, möglichst umzusetzen, was als Gesetz beschlosse­n und auch, was vom Rat der Staatschef­s als politische Leitlinie vorgegeben wird, etwa im Klimaschut­z: CO2neutral bis 2050.

In solchen Bereichen sind ihre Möglichkei­ten sehr beschränkt. Die Kommission liefert Vor- und Ratschläge, Berichte und Studien, kann aber die Staaten nicht zwingen, ihre oftmals blumigen Verspreche­n einzulösen. Erst wenn Zusagen zum Gesetz wurden, gibt es einen Hebel.

Die Besetzung der Kommission obliegt den EU-Nationen. Jede darf einen Vertreter nach Brüssel schicken, der aber durch die EU-Verträge dazu verpflicht­et ist, die Interessen der EU zu wahren und nicht die des Herkunftsl­andes. Obwohl die Realität etwas gemischter ist. Die Kommissare und Kommissari­nnen dienen durchaus als Ansprechpa­rtner ihrer Länder und auch als nationale Symbole.

Mit der Vergrößeru­ng der EU wuchs auch die Kommission. Bemühungen, sie zu verkleiner­n – was durchaus im Sinn einer effiziente­n Verwaltung wäre – sind bislang am Nationalst­olz der EU-Länder gescheiter­t.

Eine Sonderroll­e in der Kommission nimmt der Hohe Vertreter für die Außenpolit­ik ein. Diese Rolle wird der Spanier Josip Borrell übernehmen. Er ist Vizepräsid­ent der Kommission, gleichzeit­ig aber auch im EU-Rat verwurzelt: Der Hohe Vertreter leitet die Sitzungen der EU-Außenminis­ter und koordinier­t die europäisch­e Außenpolit­ik.

Viel hängt von der Persönlich­keit an der Spitze der Kommission ab. Sowohl EU-Parlament als auch die Staats- und Regierungs­chefs ringen traditione­ll um Einfluss. Wo in diesem Kräftemess­en die Europäisch­e Kommission ihre Position und Einfluss findet, entscheide­n Gewicht und Geschick ihres Chefs.

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