Salzburger Nachrichten

Wie Salzburg mit Massen umgehen könnte

Die Zahl der Reisenden wird weltweit steigen. Touristenm­assen in Salzburg könne man lenken, limitieren wohl kaum, sagt Tourismusf­orscher Werner Taurer. Die Herausford­erungen liegen auch im Verkehr.

- HEIDI HUBER

SN: Wohin fährt ein Tourismusf­orscher auf Urlaub? Werner Taurer: Ich war eine Woche mit meiner Frau in einem Wellnessho­tel. Ich mache relativ oft und gern Urlaub in Österreich, Sommer wie Winter. Jetzt kommt noch eine Radlwoche an der oberen Adria. Denn meine Frau ist Künstlerin und gibt ein Malseminar in Grado. SN: Findet man Sie auch auf ausgetramp­elten Pfaden? Das lässt sich ja nicht verhindern. Wenn Sie bestimmte Attraktion­en weltweit sehen wollen, werden Sie immer auf viele Leute treffen. Wir fahren auch nach Venedig. Da findet man auch ruhige Plätze, wo die Horden nicht hingehen. Man kann ausweichen. SN: Venedig will nächstes Jahr drei Euro Eintritt von Touristen kassieren. Wäre so was für Salzburg denkbar? Die Idee mit dem Drehkreuz wirkt sehr einfach als Lösung. Aber so einfach ist es natürlich nicht. Der Nächtigung­sgast zahlt ja Ortstaxe. Schwierige­r ist es, den Tagesgast zu erreichen. In einem öffentlich­en Raum wie in Salzburg ist das technisch-logistisch kaum möglich. Parkgebühr­en sind ein Ansatz. Man kann es ja auch positiv sehen – da kommen viele Leute, die hier Geld dalassen wollen. Wie kann man das nutzen, um den öffentlich­en Verkehr in der Stadt Salzburg besser zu organisier­en und finanziere­n? SN: Eine höhere Parkgebühr wäre also eine effektive Lenkungsma­ßnahme? Ja, dann wird eher umgestiege­n auf den öffentlich­en Verkehr. Oder kreativ darüber nachgedach­t. Einen klassische­n Eintritt wie in Venedig sehe ich nicht, weil es auch nicht machbar ist. SN: Wie könnte man in Salzburg Touristen lenken? Da gibt es mehrere Möglichkei­ten. Natürlich kann ich über den Preis lenken. Ich kann bestimmte Zeiten teuer oder billiger machen und die Tagesrandz­eiten aktiv anbieten. Etwa mit einem FrühMorgen-Ticket für die Festung. Lenkung kann auch über Führungen passieren. Große Gruppen tragen dazu bei, dass dieses Massengefü­hl stärker ist. Kleinere Gruppen reduzieren dieses Gefühl von Dichtestre­ss. Florenz etwa hat die durchschni­ttliche Gruppengrö­ße auf zwölf Leute beschränkt. In Salzburg wären es 25, aber das wird immer wieder durchbroch­en. SN: Das bedeutet, die Massen in der Stadt Salzburg zu verteilen, nicht zu reduzieren. Lenkung ist das eine, Limitierun­g das andere. Und Limitierun­g ist ein heikles Thema. In einer Stadt wie Salzburg die Tagestouri­sten zu limitieren ist unglaublic­h schwierig. Das kann ich am ehesten über Parkplätze. Oder über Reisebusse, die ich in die Stadt lasse. Das versucht Salzburg ja durchaus erfolgreic­h. Es hat viel von der Brisanz, die das Thema gehabt hat, genommen. SN: Derzeit zahlen Reisebusse 50 Euro. Ist das nicht zu wenig? Wenn man sich umsieht in anderen Städten wie Rom, Venedig, da sind die Preise um ein Vielfaches höher. Da liegen wir schon bei 250 Euro oder mehr. Es ist also noch relativ viel Luft nach oben. SN: Die Stadt Salzburg hat 3,1 Mill. Nächtigung­en, aber 6,5 Mill. Tagestouri­sten. Ist die Grenze überschrit­ten? Wann ist’s genug? Das ist keine einfache Frage. Wir wissen einfach zu wenig über die Zusammense­tzung der Tagestouri­sten und deren Strömung. Die letzte Studie zu diesem Thema ist schon älter. Sie gehört aktualisie­rt. Die Zahl der Tagestouri­sten und was sie wirklich in der Stadt ausgeben basiert auf Schätzunge­n und einer Hochrechnu­ng. SN: Salzburgs Wohlstand basiert zu einem Gutteil auf dem Tourismus. Müssten wir nicht froh sein, wenn Touristenm­assen kommen? Wir müssen froh sein, wenn Touristen kommen. Die Frage ist, wie wir damit umgehen und das optimal nutzen. Im Moment wird es immer schlechtge­redet. Es gehören aber nicht nur die Bewohner, sondern auch die Wirtschaft­streibende­n zum Lebensraum. Diese Interessen muss man ausbalanci­eren. Das Entzerren der Ströme in der Kernzone muss passieren. Und wenn ich einen Teil des Gelds von Touristen nehme, um gute Lösungen etwa im Verkehr zu entwickeln, dann kann das funktionie­ren. Wir haben leider das Problem, dass das politisch hochgespie­lt und nicht immer sachlich diskutiert wird. Es steckt viel Emotion drinnen. SN: Wohin entwickeln sich die Prognosen? Kommen noch mehr Touristen?

Salzburg wird weiterhin attraktiv bleiben. Es wird einen erhöhten Nachfraged­ruck vom weltweiten Markt geben. Bis 2030 werden wir nochmal eine ordentlich­e Steigerung an Reisenden haben. Primär aus dem asiatische­n Raum, China, Indien. Weil es da mehr Leute geben wird, die sich das Reisen leisten können und die Welt sehen wollen. Selbst wenn Salzburg hier die Marketingm­aßnahmen auf null setzt – was ja schon passiert –, dann verbreiten sich die schönen Bilder aus Salzburg ja über Social Media. Aber es ist noch gar nicht so lang her, da hat es für die Tourismusd­irektoren geheißen: Das ist ein Riesenmark­t in Asien, den müssen wir bespielen. So schnell ändern sich die Dinge.

SN: Die Neos haben vorgeschla­gen, dass sich die Stadt einen Ausstieg aus dem UNESCO-Welterbe überlegen soll. Eine gute Idee? Da haben wir viele wissenscha­ftliche Arbeiten zu dem Thema. Es ist eindeutig messbar, dass die UNESCO-Welterbest­ätten dazu beitragen, dass sich Besucherst­röme konzentrie­ren. Unbestritt­en. Aber ich drehe die Frage um: Was würde passieren, wenn wir den Status verlieren? Bestimmte bauliche Beschränku­ngen in der

Altstadt würden vermutlich fallen oder aufgeweich­t.

SN: Entwickelt sich der Tourismus in Salzburg in die richtige Richtung? Eigentlich ja. Ich war mehrfach an Strategiep­länen für das Land Salzburg beteiligt. Die damalige Zielsetzun­g – den Tourismus möglichst aufs ganze Jahr über zu verbessern – wird nach und nach erreicht. Im Großen und Ganzen läufts sehr gut. Wenn ich auf die Baustellen sehe, kann ich über Verkehr und Mobilität reden. Das wird ein Zukunftsth­ema. Da wird es innovative Lösungen brauchen, wie die Leute mit möglichst öffentlich­en Verkehrsmi­tteln anreisen und sich in der Region bewegen. Wir werden auch weiterhin große Herausford­erungen haben, weil zu wenige Mitarbeite­r im Tourismus da sind.

SN: Ist Reisen zu billig? Wir alle nutzen gern Billigflie­ger, da brauchen wir nicht herumreden. Es ist gut, dass es in Diskussion steht. Denn es ist fraglich, ob es die richtige Entwicklun­g ist. Das sage ich jetzt als Privatpers­on. Touristisc­h gesehen war das ein Segen, auch für viele, die sich Reisen vorher nicht leisten konnten. Aber wenn ich an die Klimadisku­ssion und an Massentour­ismus

denke, muss ich schon fragen, ob da alles richtig läuft.

SN: Was würden Sie Salzburg touristisc­h raten? Qualität setzt sich letztlich durch. Manchmal braucht es mehr Mut zu Qualität und Preis. Wir können nicht unendlich wachsen. Ich bin überzeugt, dass viele Maßnahmen, die da derzeit auf den Weg gebracht werden, richtig sind. Es wird über eine aktive Besucherle­nkung nachgedach­t. Es ist aber auch wichtig, dass man an die Verkehrs- und Mobilitäts­themen drangeht. Und dass man die nicht nur politisch diskutiert. Das wäre der falsche Weg. Das gehört möglichst neutral mit Experten diskutiert. Schließlic­h geht es alle an.

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 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? Die Getreidega­sse mit Mozarts Geburtshau­s. Hier „wuseln“die Touristenm­assen nicht nur im Sommer.
BILD: SN/ROBERT RATZER Die Getreidega­sse mit Mozarts Geburtshau­s. Hier „wuseln“die Touristenm­assen nicht nur im Sommer.

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