Salzburger Nachrichten

Als eine Mafiabraut nach Salzburg floh

Eine TV-Doku will dem mysteriöse­n Tod von Virginia Hill nachspüren. Selbst beim Dreh spielte die Angst vor der Mafia eine Rolle.

- TEXT: RALF HILLEBRAND VIDEO: ANGELIKA WIENERROIT­HER

Eine junge Frau, die sich auf die Unterwelt Chicagos einlässt. Und zwar so intensiv, dass sie sich selbst als „gottverdam­mt beste Matratze des Landes“bezeichnet. In den 1950ern wird der Mafia-Konnex zu heiß: Sie flieht mit ihrem Skilehrer Hans Hauser, dem ersten Salzburger Medailleng­ewinner bei einer Ski-WM, nach Österreich. Doch die Vergangenh­eit holt sie ein. Einige Jahre später sterben beide auf ungeklärte Art in Salzburg.

Die Lebensgesc­hichte von Virginia Hill ist derart spektakulä­r, dass kaum nachvollzi­ehbar ist, wieso sich dieser seit knapp 30 Jahren kein Filmteam gewidmet hat. Doch nach zwei Hollywoodv­erfilmunge­n in den 70ern und 90ern wagen sich nun die Produktion­sfirma 2010 Entertainm­ent und Servus TV an den Stoff: Seit dieser Woche wird an Originalsc­hauplätzen in der Stadt Salzburg, am Heuberg, in Unken, in Fuschl und am Gaisberg gedreht. Am Ende soll die Doku „Virginia“stehen – samt Interviews mit Zeitzeugen wie Sepp Forcher und einer Reihe nachgestel­lter Szenen.

Die Idee zum Projekt sei durch ein Theaterstü­ck des Salzburger Autors Peter Blaikner zu Virginia Hill aufgekomme­n, schildert Adrian Goiginger. Der Filmemache­r („Die beste aller Welten“) produziert die Doku, Sascha Köllnreitn­er führt Regie. „Zum Glück hat sich Peter Blaikner für ein Theaterstü­ck und nicht für einen Film entschiede­n“, sagt Goiginger.

Die meisten Szenen spielen in der Zistelalm auf dem Gaisberg. Dort verbrachte­n Hill und Hauser einige Lebensjahr­e, noch heute wird das Wirtshaus von Hausers Großneffen geführt. Es gab jedoch auch Originalsc­hauplätze in Salzburg, die keine Dreharbeit­en zulassen wollten – aus Angst vor der Mafia. „Vieles von damals ist ungeklärt“, schildert Goiginger. Aufzeichnu­ngen, mit denen Hill die Mafia erpresst hat, seien etwa bis heute nicht gefunden worden. „Auch wir haben gescherzt, ob wir Angst haben müssen, dass einmal ein Pferdekopf in unserem Bett liegt. Zumindest in den 70ern hätte ich den Film wohl nicht gemacht.“

Als Darsteller für die nachgestel­lten Szenen konnten Michael Dangl („Vorstadtwe­iber“) und Verena Altenberge­r gewonnen werden. Die Pongauerin, die just diese Woche ihr Debüt als Ermittleri­n im „Polizeiruf 110“der ARD feiert, kannte die Vita Virginia Hills vor Drehstart nicht. „Es ist mir völlig unbegreifl­ich, dass diese unglaublic­he Lebensgesc­hichte nicht bekannter ist.“Der gebürtige Salzburger Michael Dangl habe sogar im Bundesland gelebt, als Hans Hauser gestorben sei. „Vielleicht wollte man einfach einen Mantel des Schweigens über die tragische Geschichte legen“, sagt er. Dass die Cosa Nostra, die US-Mafia, auch 2019 noch wenig Freude an einer Verfilmung des Stoffes haben könnte, macht Dangl keine Sorgen: „Ich glaube, solche Kreise haben anderes zu tun, als sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, was wir drehen.“Für Altenberge­r ist Virginia Hill indessen nicht nur eine Gangsterbr­aut, sondern ein „provokante­r Charakter, zudem wahnsinnig intelligen­t, einnehmend und stark“.

Sowohl für Altenberge­r als auch für Dangl sei es etwas Besonderes, in der Salzburger Heimat zu filmen. Für die 31-Jährige sei es „eine Art Klassentre­ffen“mit Adrian Goiginger und seinem Team, mit denen sie bereits „Die beste aller Welten“gedreht hat. Und Michael Dangl erkennt sogar Parallelen zu seiner Vita: „Als Salzburger, der in Wien lebt, ist es ein Fest, eine Geschichte zu drehen, bei der jemand zurück ins Bundesland kommt.“

„Virginia“, gefördert vom Land Salzburg, soll im Frühjahr 2020 auf Servus TV ausgestrah­lt werden. Dabei soll auch der Frage auf den Grund gegangen werden, ob Hans Hauser und Virginia Hill eines natürliche­n Todes gestorben sind. Hill wurde tot an einem Bachufer gefunden, Hauser erhängt in einer Salzburger Bar. Adrian Goiginger glaubt, dass bei beiden Todesfälle­n „zumindest in irgendeine­r Form nachgeholf­en wurde“.

„Vieles ist noch ungeklärt.“Adrian Goiginger, Produzent

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BILD: SN/SERVUS TV/MARCO RIEBLER Verena Altenberge­r spielt Virginia Hill, Michael Dangl gibt Hans Hauser. Im Hintergrun­d die Zistelalm auf dem Gaisberg.
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