Womit fahren wir in Zukunft?
Rein ins Auto und losfahren: Was für den Konsumenten immer noch verlockend klingt, ist für eine klimafreundliche Mobilität eindimensional gedacht. Das dämmert auch der Autoindustrie.
FRANKFURT, WIEN. Es hätte so schön sein können. Die Autohersteller präsentieren ihre neuen, effizienten und emissionsfreien Modelle der Zukunft und alle applaudieren. Doch das saubere Image, das sich die Automobilindustrie nach dem Dieselskandal so sehr wünscht, ist trotz Milliardeninvestitionen und riskanten Zukunftsplänen bislang noch nicht in Fahrt gekommen. Und der Weg dorthin ist noch weit.
Zwar starten die Autohersteller 2020 die erste große Bewegung von E-Autos in den Massenmarkt, doch eine rasante Revolution wird es nicht werden. Laut der Prognose von Bosch-Chef Volkmar Denner wird bis 2030 erst ein Viertel der Neuwagen emissionsfrei fahren, die übrigen mit Verbrennungsmotoren oder Hybridantrieben.
Noch große Zurückhaltung dem E-Auto gegenüber gibt es auch auf Konsumentenseite, wie eine jüngste, am Rand der Automesse präsentierte Umfrage der Beratungsgesellschaft EY in Deutschland zeigt. Darin gaben knapp zwei Drittel der 2500 befragten Erwachsenen an, dass die Stromer für sie derzeit keine Option seien. Die Hauptgründe dagegen: Reichweite, Kosten und Ladenetz. Die Konsequenz daraus: Mehr als die Hälfte der Befragten will sich als nächstes Auto wieder einen Benziner oder Diesel zulegen.
So zeigen die aktuellen Messebilder zwar eine schöne emissionsfreie Zukunft im Individualverkehr. Die Gegenwart dürfte aber wohl noch länger so aussehen: verstopfte Straßen in den Städten, Staus auf den Autobahnen und immer mehr und immer größere Autos, die CO2 in die Luft blasen. In Österreich zeigt die jüngste Treibhausgasbilanz, was den Verkehr betrifft, ein ernüchterndes Bild. Während in allen anderen Bereichen – von Energie und Industrie über Gebäude bis Landwirtschaft – die Emissionen zurückgehen, gibt es im Verkehrssektor nach wie vor Zuwächse. Um zirka 0,2 Millionen Tonnen bzw. 0,8 Prozent hat hier der Ausstoß zugenommen, heißt es in der ersten Nahprognose des Umweltbundesamts für die Treibhausgasemissionen im Jahr 2018.
„Solange hier nichts sichtbar ist, ist von Verkehrsseite für den Umweltschutz nichts passiert“, sagt Gerfried Jungmeier von Joanneum Research in Graz. Der studierte Maschinenbauer ist Experte für die Umweltbewertung von Energiesystemen und Umweltzielen auf Basis von Lebenszyklusanalysen. Unter anderem für den ÖAMTC hat er zuletzt ein Projekt realisiert, das alle Pkw-Antriebsarten vergleichbar macht und einen Bogen spannt von der Produktion über den Betrieb bis zum Recycling eines Fahrzeugs. Noch vor zehn Jahren seien solche Analysen kaum ernst genommen worden, sagt Jungmeier, „mittlerweile ist die Botschaft der ganzheitlichen Betrachtung sowohl in der Industrie als auch in der Politik angekommen“. So wisse man mittlerweile, dass E-Autos für die Umwelt nicht per se besser seien als Verbrennungsmotoren, da auch Faktoren zählten wie Energiequelle, Auslastung des Fahrzeugs oder Platzverbrauch. „Das E-Auto wird auch in Zukunft nicht das Gelbe vom Ei sein im Stadtverkehr, weil es ganz einfach so wie jedes andere Auto Platz braucht“, betont Jungmeier. Dagegen mache ein vollbesetzter Euro-6-Autobus durchaus Sinn und sei der Verbrennungsmotor in der Vergangenheit freilich auch um vieles effizienter geworden. „Aber durch Technologie allein wird das Problem der Umweltbelastung durch den Verkehr nicht zu lösen sein“, warnt der Forscher. „Der Klimaschutz verlangt ein neues Mobilitätssystem und nicht nur ein Hochrüsten auf der Straße, damit die Fahrzeuge immer besser werden.“Die Entwicklungen müssten Hand in Hand gehen mit der Steigerung von Effizienz und Attraktivität des öffentlichen Verkehrs. „Das klingt zwar langweilig, ist aber der Schlüssel dazu, um die Klimaziele zu erreichen.“
Die Automobilhersteller haben derzeit jedenfalls – egal um welchen Antrieb es geht – keinen leichten Stand. Auf dem weltweiten Automarkt herrscht Flaute. In Österreich brachen im August die Pkw-Neuzulassungen um knapp 13 Prozent auf 29.888 Autos ein. Seit Jahresbeginn verzeichnet man einen Rückgang um 8,3 Prozent auf 237.225 Pkw. Wobei es vor allem in der Mitte bröckelt. Gefragt waren vor allem Kleinwagen, aber auch PS-starke Limousinen und SUV.
Die protzigen Wagen stehen in Frankfurt gerade besonders unter Beschuss der Umweltschützer. Für Samstag ist eine Großdemonstration samt Fahrradkonvoi unter dem Motto #aussteigen geplant. 20.000 Teilnehmer werden erwartet. Nicht nur deshalb aber könnte die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) zum letzten Mal als Glanzparade der neuen Automodelle über die Bühne gehen. In Kreisen der Hersteller werde ein neues Messekonzept mit wechselnden Veranstaltungsorten wie Köln oder Berlin diskutiert, berichtete das „Handelsblatt“am Mittwoch. Der Wunsch der Unternehmen lautet: mehr Mobilitätskonzepte präsentieren statt nur Fahrzeuge.
„Technik allein löst nicht das Problem.“Gerfried Jungmeier, Joanneum Research