Salzburger Nachrichten

„Beethovens Werk ist Zukunftsmu­sik“

Igor Levit, Pianist mit klarer politische­r Haltung, legt zum Beethoven-Jahr 2020 alle 32 Klavierson­aten auf CD vor.

- SN, dpa „Beethoven, sämtliche Klavierson­aten“von Igor Levit erscheint heute, Freitag, auf Sony Classical.

Ein ganzes Leben reiche nicht aus, um nur eine Klavierson­ate von Ludwig van Beethoven zu erfassen, soll der Komponist Ferruccio Busoni gesagt haben. Das mag übertriebe­n klingen. Für Igor Levit ist es jedenfalls so weit: Mit 32 Jahren legt der Pianist, der zu den internatio­nalen Klaviersta­rs gehört und auch bei den Salzburger Festspiele­n regelmäßig seine Kunst unter Beweis stellt, gleich Beethovens 32 Sonaten für Klavier als Gesamteins­pielung vor. Rechtzeiti­g vor dem 250. Geburtstag des Komponiste­n 2020 erscheint aus seinen Händen ein Schlüsselw­erk der klassische­n Musik – Beethoven pur auf neun CDs.

Dass er ein solches Opus bereits in jungen Jahren stemmt, ist für Levit unwesentli­ch. „Die Altersfrag­e ist nicht wichtig“, sagt er. Beethoven habe sich über die Konvention­en seiner Zeit hinweggese­tzt, sein Werk sei immer auch „Zukunftsmu­sik“, sagt Levit im Booklet zu der CD-Box. Wie in einem Puzzle hat Levit die Aufnahmen der vergangene­n Jahre im Historisch­en Reitstadel im oberpfälzi­schen Neumarkt, im Leibniz-Saal in Hannover und in der Berliner Siemens-Villa zusammenge­tragen.

Levit verleiht dem Riesenwerk seine eigene Handschrif­t. Er blickt auf Beethoven wie auf einen Zeitgenoss­en. „Es sind alles sehr, sehr schwere Stücke, aber es ist meine Sicherheit­szone, die Musik, von der ich mich verstanden und getragen fühle“, sagt er. Beethoven habe einen Zyklus geschaffen, „der so viel über uns Menschen erzählt wie kein anderer“. Der im russischen Nischni Nowgorod geborene Pianist zog als Achtjährig­er wegen seines musikalisc­hen Talents mit seiner Familie nach Hannover. Bereits als Jugendlich­er tauchte er in das Beethoven-Universum ein – mit dessen früher A-Dur-Sonate Opus 2/2. Immer wieder habe er daran arbeiten müssen, erzählt Levit: „Mein Lehrer Karl-Heinz Kämmerling hat mich – Gott sei Dank – damit nicht in Ruhe gelassen.“

Levit hält sich mit seinen Ansichten zum Leben und der Politik nicht zurück. Immer wieder bezieht er Stellung. „Bürger, Europäer, Pianist“, steht auf seiner Website. Der Pianist gehörte zu den Ersten, die nach dem Antisemiti­smusskanda­l beim Echo-Preis um die Rapper Kollegah und Farid Bang die Auszeichnu­ng zurückgabe­n. Er sei nun froh, dass die Klassik-Branche mit einem neu gegründete­n Opus-Preis die Konsequenz­en aus dem Echo-Debakel gezogen habe. Unabhängig vom Bundesverb­and Musikindus­trie haben Plattenfir­men, Verlage und Veranstalt­er eine eigene Auszeichnu­ng ins Leben gerufen. Doch auch der Opus dürfe weder Rassisten noch Sexualstra­ftäter auszeichne­n, sagt Levit. „Da gibt es absolute Ausschluss­kriterien.“

Levit weiß allerdings auch, dass nicht nur Rapper danebengre­ifen können – auch Klassikkün­stler. „Wir sind auch nur Menschen, wir sind aber nicht besser, weil wir Beethoven lieben, und sollten uns auch nicht so aufführen.“ CD:

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BILD: SN/IGORLEVIT.DE Igor Levit
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