Zwei Inseln nähern sich einander
Das Schauspielhaus Salzburg startet mit der „Tanzstunde“in die Saison.
SALZBURG. Können Sie sich an die Gefühlswelt bei Ihrem ersten Kuss erinnern? Bei Ever Montgomery hört sich das folgendermaßen an: Es habe sich angefühlt, als ob ein Angelhaken in ihm stecke und über die Nase rausgezogen werde.
Ever ist Professor für Geophysik, hochintelligent und stilvoll gekleidet. Doch er findet keinen Zugang zu anderen Menschen, weder körperlich noch kommunikativ. Ever leidet am Asperger-Syndrom, das sich in allerlei Zwangsstörungen äußert: Er zuckt unablässig mit den Fingern, er wählt seine Schritte nach geometrischen Mustern und wechselt nie den Tonfall. Vor allem aber ist er unfähig, Emotionen zu vermitteln oder zu erkennen.
Spätestens seit der (Kult-)Figur von Sheldon Cooper in der Sitcom „The Big Bang Theory“sind Menschen mit Asperger-Syndrom einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Der US-Dramatiker Mark St. Germain widmet sich diesem Typus in seinem 2014 uraufgeführten Stück „Die Tanzstunde“, stellt seinen Protagonisten jedoch nie aus. Ever muss aus Verzweiflung, die man dem Autisten natürlich nicht gleich anmerkt, mit der Nachbarin Senga Kontakt aufnehmen: Er bittet um eine Tanzstunde, um bei einer Gala nicht aus dem Rahmen zu fallen. Senga ist ausgebildete Balletttänzerin, leidet aber an den Folgen eines verheerenden Unfalls. Das erste Zusammentreffen verläuft unglücklich: Ever bezeichnet Senga als „behindert“, später als „beschädigt“, was die Situation nicht wirklich entspannt. Die Unfähigkeit des Autisten, die Tragweite seiner Aussagen zu erkennen, ist ein Running Gag dieses Kammerspiels. Dennoch entwickelt sich zwischen der „beschädigten“Ballerina und dem Kauz eine zarte Beziehung. Auch Senga leidet – über ihre sichtbaren Verletzungen hinaus – an seelischer Verwundung. Ein mögliches Karriere-Aus käme für sie einem Lebensende gleich. Der ungelenke Professor wiederum taut in Sengas Nähe auf.
Theo Helm und Tilla Rath verkörpern das ungleiche Paar im Studio des Schauspielhauses Salzburg kontrastreich: Helm findet einen nuancierten, zurückhaltenden Zugang zu seiner knorrigen Figur, die am Haus ausgebildete junge Schauspielerin spielt mit hohem körperlichen Einsatz und exaltierter Bühnenpräsenz. Der junge Regisseur Simon Dworaczek positioniert sie wie zwei Inseln hinter getrennten Paravents, erst mit wachsender Nähe öffnet sich auch Isabel Grafs Bühne. Das Stück selbst trägt die Substanz der Thematik nicht über 85 Minuten Spieldauer, das (Zusammen-)Spiel der beiden Darsteller aber macht Lust auf mehr. Theater: