Salzburger Nachrichten

Hassreden stacheln die Gewalttäte­r auf

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Jahrelang ist in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d die Gefahr des Rechtsextr­emismus unterschät­zt worden. Eine rechtsextr­eme Zelle namens NSU konnte monströse Verbrechen verüben. Inzwischen haben die Sicherheit­sbehörden ihr Visier nicht nur auf linke Gewalt und islamistis­chen Terror, sondern auch auf die extreme Rechte eingestell­t. Angesichts des Anschlags eines rechtsextr­emistische­n, antisemiti­schen Mannes auf eine Synagoge im ostdeutsch­en Bundesland Sachsen-Anhalt darf man dennoch bezweifeln, dass dies schon mit aller Konsequenz geschieht.

Stattdesse­n sehen wir eine beängstige­nde Entwicklun­g ins Negative. Derzeit registrier­en die deutschen Behörden nicht weniger als 12.000 gewaltbere­ite Rechtsextr­emisten. Im vorigen Jahr ist in Deutschlan­d die Zahl antisemiti­scher Angriffe mit politische­m Hintergrun­d auf 1800 gestiegen – das sind im Durchschni­tt fünf pro Tag.

Politiker, die sich um die Integratio­n migrantisc­her Neubürger bemühen, sind zum Opfer von rechtsextr­emistische­r Gewalt geworden. Die Oberbürger­meisterin von Köln hat überlebt, der Regierungs­präsident von Kassel aber ist vor wenigen Monaten ermordet worden.

Die Demokratie gerät in Gefahr, wenn das politische Klima derart verroht. In Deutschlan­d steht jetzt die rechtspopu­listische AfD am Pranger. Sie hat durch Leugnung und Verharmlos­ung der Naziverbre­chen den Boden bereitet für antisemiti­sche Gewalt. Sie ist mit völkisch bestimmter Verbalaggr­ession gegen Zugewander­te der Resonanzbo­den für die Rechtsextr­emisten. „Politisch gesehen“war der Anschlag in Halle/Saale eben keine „Einzeltat“.

Was tun gegen die rechte Gewalt? Zuerst die Sicherheit verstärken. Der Rechtsstaa­t muss seine Zähne zeigen. Dann Schluss machen mit dem hetzerisch­en Reden, das den öffentlich­en Diskurs vergiftet. Aus Worten werden Waffen. Drittens auch im Digitalen Grenzen ziehen. Das Netz kann nicht „frei“sein, wenn dort das Grauenvoll­e wabert. Ferner: die Bildung forcieren, damit die Antiaufklä­rung keine Chance hat. Und: Zivilcoura­ge zeigen, wenn Hass zur Gewalt aufpeitsch­t.

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