Die SPÖ macht sich bereit für den Neuanfang
Die Sozialdemokratie verordnet sich einen Erneuerungsprozess bis 2020. Vielen Genossen in der angeschlagenen Partei ist das zu wenig.
WIEN. Zu den ungeschriebenen Gesetzmäßigkeiten der heimischen Innenpolitik gehört auch folgende Regel: Wenn alle Parteigranden eine Obmanndebatte vehement ausschließen, dann sollte sich der Parteichef Sorgen um den Posten machen. So ist es auch bei SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.
„Wir hatten keinerlei Personaldiskussion“, versicherte die SPÖChefin nach einer SPÖ-Präsidiumsklausur am Freitag. Die SPÖ-Chefin sah das Treffen als einen „Startschuss für den parteiinternen Erneuerungsprozess“unter dem Motto „An die Arbeit“und fordert eine „ehrliche Analyse in den Landesund Teilorganisationen über die Verbesserungsmöglichkeiten in der Partei“. Parallel dazu solle es eine Parteiöffnung geben. „Mit sogenannten Zukunftslaboren sollen Wissenschafter, Künstler und die Zivilgesellschaft eingebunden werden.“Bis zum 1. Mai 2020 soll diese Erneuerung abgeschlossen sein.
Hinter den roten Kulissen geht es neben Arbeitsgruppen, „Zukunftslaboren“und Mitgliederbefragungen natürlich auch längst um einen möglichen Führungswechsel. Offiziell klingt das so: „Personelle Konsequenzen stehen wenn, dann am Ende des Prozesses“, so Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. „Nach dem Erneuerungsprozess schauen wir, ob das Ganze personell richtig besetzt ist“, sagte auch Tirols SPÖChef Georg Dornauer, der als einer der schärfsten Kritiker Rendi-Wagners gilt. „Jeder muss die Verantwortung selbst tragen“, spielte Rendi-Wagner den Ball an die parteiinternen Kritiker nach der Klausur in einem Nebensatz zurück und meinte damit die kritischen Zwischenrufer aus den Bundesländern.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist angezählt. Das liegt nicht nur am historisch schlechtesten Wahlergebnis, sondern auch an ihren unglücklichen Auftritten danach. Den mittlerweile Kult gewordenen Ausspruch „Die Richtung stimmt“vom Wahltag würde so mancher Genosse gern schnell aus der 130-jährigen Geschichte der SPÖ streichen. Nach dem Wahldebakel folgte die Beförderung des erfolglosen Wahlkampfmanagers Christian Deutsch zum SPÖ-Bundesgeschäftsführer. Diese Personalie nimmt die Basis der Parteispitze besonders übel. Auch weil Deutsch einem parteiinternen Netzwerk aus Vertrauten von ExKanzler Werner Faymann angehört. Viele geben der „Faymann-Truppe“die Mitschuld an der desaströsen Lage der SPÖ.
Auch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures wird zu dem Netzwerk gezählt. Sie gilt als eine der möglichen Nachfolgerinnen von Pamela Rendi-Wagner, auch wenn sie in der Vergangenheit immer wieder abgelehnt hatte, an die SPÖ-Spitze zu wechseln. Auch vor dem Präsidium am Freitag winkte sie einmal mehr ab: „Wir haben eine Vorsitzende, die meine vollständige Unterstützung genießt.“Bures verteidigte auch Rendi-Wagners stark kritisierten Auftritt im ORF-„Report“, wo die SPÖ-Chefin nicht klar sagen konnte, wofür die SPÖ steht. Die Parteivorsitzende wisse sehr wohl, wofür die Sozialdemokratie stehe, sagte Bures. Die SPÖ befinde sich auch nicht auf Selbstfindung, sondern habe ein „klares Programm“. Es gehe nur darum, dieses
„Wir hatten keinerlei Personaldiskussion.“Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Chefin
zu schärfen, besser zu kommunizieren und die Partei zu öffnen.
Ob mit einem bloßen Wechsel an der Spitze die kritischen Stimmen innerhalb der Roten verstummen würden, ist fraglich. Immerhin fordern manche SPÖ-Funktionäre eine komplette Neuaufstellung der Partei – auch durch mehr Mitspracherechte für die Mitglieder und einen inhaltlich schärferen Kurs.
Vor allem die SPÖ-Landesorganisationen in Vorarlberg und der Steiermark, wo demnächst gewählt wird, fürchten, im Sog des Wahldebakels mitgerissen zu werden. Die steirische SPÖ ist bemüht, sich von der Bundespartei zu distanzieren. Die Wahlplakate in der Steiermark mit dem Slogan „Schichtwechsel“können auch als Botschaft nach Wien verstanden werden. Und in Vorarlberg, wo am Sonntag gewählt wird, würde man sich bereits über ein zweistelliges Ergebnis freuen. 2014 war die Vorarlberger SPÖ auf 8,77 Prozent gefallen.
Auch die Sozialistische Jugend macht Druck. Vor wenigen Tagen forderte die SJ-Vorsitzende Julia Herr im SN-Gespräch, dass die SPÖ wieder glaubwürdig werden müsse und deshalb auch in Opposition gehen sollte. Pamela Rendi-Wagner sprach hingegen am Freitag davon, dass die SPÖ Verantwortung übernehmen müsse, allerdings nicht um jeden Preis, und forderte vor eventuellen Regierungsverhandlungen eine jährliche Klimamilliarde und die Einführung der VierTage-Woche.